HZ Nr. 1523/16.05.1997
Dank für das Bedauern
Der Forumsvorsitzende Paul Philippi nimmt Stellung zu der Erklärung
von Adrian Severin
Zur Erklärung des rumänischen Aussenministers Adrian Severin vorn
2. Mai über die Beteiligung der rumänischen Behörden am Unrecht,
das all den Deutschen Rumäniens verübt worden ist
(vgl. Hermannstädter Zeitung Nr. 1522/9. Mai 1997),
hat der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien,
Prof. Dr. Paul Philippi, folgende Stellungnahme abgegeben:
Diese Erklärung hat in den Medien unseres Landes ein unterschiedliches
Echo ausgelöst. Ich selber wurde von der Erklärung erst über die
deutsche Presseagentur in Kenntnis gesetzt und habe mich über die Tatsache
und den Inhalt der Erklärung rundherum positiv ausgesprochen, weil sie den
Betroffenen, insbesondere den 1945 nach Rußland Deportierten, wenigstens
nachträglich noch eine "moralische Wiedergutmachung" zukommen läßt
die (über die schon geschehene Anerkennung der Verschleppung als politische
Gefangenschaft im Sinne des Gesetzes 118/1990 hinaus) vor der gesamten rumänischen
Öffentlichkeit klarstellt, daß hier an einer ganzen Kategorie von
Staatsbürgern Rumäniens, also unter kollektiven Maßstäben
und systematisch, Unrecht begangen worden ist und daß unsere Regierung es
deshalb für nötig und wichtig erachtet, außer einer "klaren
Mißbilligung" des Vorgefallenen und dem "tiefen Bedauern"
auch die Bitte um Entschuldigung auszusprechen, um so wenigstens eine "Geste
moralischer. Wiedergutmachung" gegenüber den jetzigen und ehemaligen
Staatsbürgern Rumäniens zu machen, deren Schicksale von jenen
verdammungswürdigen Aktionen für immer gezeichnet wurden", Ich möchte
zu dieser Erklärung des Aussenministers Rumäniens folgendes sagen.
- Niemand hat Adrian Severin zu dieser Erklärung gedrängt. Er hat
sie von sich aus in seiner Eigenschaft als Mitglied der Regierung abgegeben.
Einige haben ihm das als Akt unnötiger, ja unwürdiger Demütigung
ausgelegt. Diese Auslegung ist bestimmt falsch. Wer ein Unrecht zu benennen
vermag, an dem die Gemeinschaft, zu der er gehört beteiligt war, und wer
sich für dieses Unrecht zu entschuldigen imstande ist, beweist innere
Freiheit und Größe, "noblesse". Er öffnet Türen
des Vertrauens. Man sollte ihm dafür danken. Wir willen das tun, Wir tun es
gerne.
- Es wurde Adrian Severin entgegengehalten, Rumänien sei an den
Geschehnissen nach 1945 nicht beteiligt gewesen. Auch dies ist falsch. Zwar müssen
und wollen wir allen anderslautenden Gerüchten gegenüber kräftig
betonen, was die Forschung bisher ergeben hat: Rumänien hat sich der
Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion widersetzt, so gut es
damals ging. Es ist nicht wahr, was so mancher Landsmann behauptet: Rumänien
habe bloß Arbeitskräfte stellen müssen und habe dann von sich
aus seine Volksdeutschen vorgeschickt. Nein: Die Sowjets haben ausdrücklich
die Rumäniendeutschen verlangt. Rumänien hat dagegen protestiert. Aber
weder seine Proteste noch die der Alliierten halfen. Und dieses hat auch Adrian
Severin deutlich gesagt.
Aber nun gilt auch das andere - und Adrian Severin
hat auch dieses gesagt: Die rumänischen Behörden haben zu dieser
Verschleppung "beigetragen", indem sie nicht nur die ganze
Infrastruktur für die Transporte zur Verfügung stellten (stellen mußten!),
sondern auch an der Verhaftung der Deutschen mit beteiligt waren. Wir Deutschen
wollen nicht in alten Wunden bohren und uns an die Mitwirkung rumänischer
Mitbürger bei der Verschleppung erinnern. Lieber erinnern wir uns an Hilfe,
die uns in jener Bedrängnis von rumänischen Nachbarn zuteil wurde.
Wenn aber der Regierungsvertreter vom "Beitrag" der rumänischen
Behörden redet, wenn er dabei auch die Baragan-Verschickung erwähnt,
dann achten wir ihn als einen mutigen und ehrlichen Mann, der unser Vertrauen
und des Rumänischen Volkes Dank verdient. Und wenn dies seine Kritiker noch
nicht überzeugt, dann müssen sie sich an die Enteignungen der Jahre
1945/46 erinnern, die nur die Deutschen Rumäniens trafen, an die
Drangsalierungen der Deutschen im eigenen Haus, an die Verschickungen der rumäniendeutschen
Stadtbürger in abgelegene Gegenden (1952), an die Aberkennung der Bürgerrechte.
Daß unsere rumänischen Journalisten alle diese Ereignisse nicht
kennen und bedenken, macht sie nicht ungeschehen. Daß ein Verantwortlicher
aus der Regierung sie beim Namen nennt, wirkt befreiend auf das Verhältnis
zur Mehrheitsethnie unseres Landes.
- Es sollte auch festgehalten werden, daß bereits der frühere
Staatspräsident Ion Iliescu eine klare Verurteilung der Rußlanddeportation
und das tiefe Bedauern darüber öffentlich ausgesprochen hat. Freilich
wurde dessen Erklärung 1995 nicht so aufmerksam von den Medien
wahrgenommen, und es fehlte Ihr auch das Moment der Entschuldigung. Vielmehr
legte Iliescu den Akzent auf die Alleinverantwortung der Sowjets. Daß
Adrian Severin weiterging, macht es allen Betroffenen leichter, versöhnt
sowohl zurückzublicken - als auch sich gemeinsam nach vorne zu orientieren.
- Es sollte auch hervorgehoben werden, daß Adrian Severin mit dein "entehrenden
Handel", durch den das kommunistische Rumänien (oder Ceausescu
allein?) sich die Ausreise Rumäniendeutscher bezahlen ließ, einen
weiteren heiklen Umstand offen angesprochen hat - einen Umstand, dessen
politische Tragweite auf beiden Seiten, bei Aufkäufern und Verkäufern,
noch nicht ganz ausgemessen worden ist.
- Adrian Severins Erklärung hatte m.E. einen Schönheitsfehler, der
leicht hätte behoben werden können; Der rumänische Außenminister
hat sich bei seinem deutschen Kollegen für Dinge entschuldigt, die rumänischen
Staatsbürgern angetan wurden. Wären nicht diese rumänischen
Staatsbürger die ersten und unmittelbaren Adressaten gewesen? Sie haben in
Rumänien ihre politische Vertretung, Sie haben ihre Ansprechpartner auch in
Deutschland. Und sie haben mit dem Vorgänger von Adrian Severin schon Übereinstimmung
darüber erzielt, daß über sie nicht ohne sie gesprochen werden
sollte. Aber genau dies ist am 1. Mai geschehen. Es ist dabei nur Richtiges und
Dankenswertes gesagt worden. Aber war das Einfallstor des Falschen zwischen 1939
und 1989 nicht dies, daß die deutsche Minderheit zwischen Bukarest und
Berlin (zw. Bukarest und Bonn) verhandelt (statt beteiligt) wurde? Gewiß:
Die deutsche Minderheit Rumäniens ist heute ganz und gar auf die
Zusammenarbeit zwischen Bukarest und Bonn angewiesen; auf "freundschaftliche
Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa" - wie es in dem Vertrag heißt,
an dessen 5. Jahrestag der rumänische Außenminister seine Erklärung
abgab. Aber der deutschen Minderheit wird auch im Rahmen dieses Vertrages am
besten geholfen, wenn man sie Partner sein läßt; wenn man sie in die
freundschaftliche Zusammenarbeit nicht als Objekt, sondern als Subjekt
einbezieht. Dazu bedarf es bei den beiden großen Partnern und auch beim
kleinen Partner noch einiger Einübung.
Paul PHILIPPI
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Dokument: ../hz/1523_3.htm, letzte Änderung 21.12.97, Autor: Michael Kothen