Was sind Alfred Hitchcock und Edgar Wallace
gegen eine Fahrt mit Transylvania Tours e.V.? Das ganze fing schon
geheimnisvoll an. Keiner außer unseren Reiseveranstaltern Daniel B. und
Nils H. M. (Namen von der Redaktion nicht geändert)
wußte Genaueres über den Ablauf. Wir dagegen, die Opfer
sozusagen, wurden im Dunkeln gelassen. Es hieß nur: Wir sollen nach
Budapest zum Tanzhaus-Treffen. Und das vom 13. bis 16. März. Allein schon
das für die Abfahrt angesetzte Datum hätte uns stutzig machen sollen:
Freitag der 13.!! Glücklicherweise wurde sie dann doch auf den Samstag
um 1 Uhr verschoben, aber trotzdem konnten wir unserem Schicksal nicht mehr
entkommen. Die Anzahl der Reisenden blieb auch bis zuletzt im unklaren, wohl
aus gutem Grund, denn bei 12 Teilnehmern fragt man sich, ob die 13. Person
nicht der Unglückszahl wegen noch abgesprungen ist. Aber wir anderen
blieben dabei. In einer Nacht- und Nebelaktion wurden wir in zwei
Kleinbusse gesteckt und übers Land gefahren.
Als dann das grelle Tageslicht wieder
unsere Augen traf, waren wir in einer großen Stadt, wo die Menschen sich
einer befremdlichen Sprache bedienten; wir nehmen heute an, es war Ungarisch.
Sofort wurden wir in eine Festung gebracht, hoch auf dem Berg, in die
Citadella, wo wir unseren Zellen zugeteilt wurden, die von dicken,
unüberwindlichen Mauern umgeben waren. |
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Die Zitadelle in Buda
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Doch erhielten wir sofort Freigang. Wir durften
in Begleitung unserer zierlichen Stadtführerin Rozalia Markus, Doktorandin
an der Budapester ELTE
Universität, die Umgebung erkunden. Unbarmherzig und zäh erlebten
wir diese kleine, denn sie machte mit uns eine große Runde über
einen Teil der Stadt.
Uns pfiff ein unfreundlicher Wind um die Ohren und uns wurde
schwindlig, als wir das Denkmal des Gellert besuchten, des ungarischen
Märtyrers, der von einer beträchtlichen Höhe von den damals
heidnischen Magyaren zu Tode gestürzt wurde. Dann ging der Marsch weiter,
wir sahen den Königspalast und die Matthiaskirche, drei Synagogen, die
Nationalgalerie und Nationalbibliothek. Wir zitterten jedesmal, als wir langen,
engen Gängen auf Rolltreppen in den Untergrund fuhren, wo wir die U-Bahn
benutzen mußten.
Als Kost genossen wir an jenem Tag in einem
Lokal die dreigängige, vollmundige, einheimische Küche. Einige von
uns erkannten wieder, was sie früher, in einem anderen Kapitel ihres
Lebens, im fernen Siebenbürgen, essen durften.
Nach einer kurzen Pause, in der wir uns in
unseren "Zellen" ausruhen und erfrischen konnten, ging es am Abend weiter.
Keiner von uns wußten, was für eine Tortur der besonderen Art
bevorstand. Es ging in ein Tanzhaus.
Auf zwei Stockwerken wurden die
Ankommenden anstrengenden Strapazen ausgesetzt: im ersten wurde ungarisch
gesungen und getanzt, im zweiten ungarisch gegessen und geredet. Ehe wir
uns versahen, befanden wir uns in den Reihen der schon anwesenden einheimischen
und ausländischen Mitgefangenen, die unter Aufsicht eines Vortänzers
Tanzbewegungen übten. |
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Die Szászcsávas
Band und ihre Musik (WAV -
250K)
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Wir mußten dabei höllisch aufpassen,
da dieser Lehrer seine Anweisungen auf Ungarisch gab, aber zum Glück
führte er uns vor, wie wir uns in welche Richtung bewegen sollten, so
daß wir nicht besonders negativ auffielen. Das Schreckliche dabei
war, daß all dieses wie eine Gehirnwäsche wirkte, so daß
einige von uns nicht mehr genug kriegen konnten und bis zuletzt verzückte
Gesichtsausdrücke trugen. Mit Pein erinnere ich mich, daß es mir
ebenso erging. Nur ab und zu war unser Kopf so klar, daß wir eine Pause
einlegten, um unseren Energieverlust mit Bier, Saft und Fettbrot
auszugleichen.
Das Tanzhaustreffen im
Nepstadion
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Unermüdlich, wie unser Chef war,
ließ er uns wissen, daß dieses Fest erst die Vorbereitung auf ein
größeres sei. Und tatsächlich, am nächsten Tag
mußten wir uns alle zu einer verabredeten Zeit in ein gewisses Nepstadion
einfinden, wo es mit den oben genannten Tanzhaus- Torturen im
größeren Rahmen weiterging. |
Bis dahin nutzten einige von uns diese
kurze Zeit der Freiheit, um sich die Stadt auf eigene Faus nochmals
anzuschauen. Wir erfuhren, daß an eben diesem Tag keine
Möglichkeit zur Flucht bestand: Die Einheimischen begingen nämlich an
diesem Sonntag, dem 15. März, ihren Nationalfeiertag, wobei jeder
Ausländer am Fehlen der trikoloren Schleife am Revers identifiziert
wurde. |
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Die hübsche Zigeunerin...
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Die Tänzer von der Bühne aus gesehen
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Schicksalsergeben fanden wir uns am
ausgemachten Ort ein. Ein überdachtes Stadion mit vielen kleinen
Nebenräumen und Gängen ringsherum, ein Ameisenhaufen von hin- und
herwuselnden Menschen, alles geeignet, sich darin zu verlieren; aber unser
wachsamer Chef fand uns immer wieder und somit entkamen wir nur selten der
verhexenden Musik, die einem sofort in die Beine ging. |
Diese klang nie gleich, es waren zum Beispiel
ungarische und zigeunerische Kapellen aus Ungarn und Siebenbürgen
anwesend, aber das Resultat war immer das gleiche: Entweder tanzten wir gleich
mit oder standen gebannt vor der Bühne und schnippten mit den Fingern im
Takt. Es war erschreckend zuzusehen (wenn man nicht gerade selber
mitmachte), wie lange Reihen von sonst vernünftig aussehenden Menschen auf
Anweisung von einer einzelnen Person (wieder ein Tanzlehrer!) sich mal in die
eine, mal in die andere Richtung bewegten, alles in komplizierter
Tanzschrittfolge, zuerst langsam, dann immer schneller und schneller. Die
ganze Halle wogte, ab und zu hörte man verzückte Schreie, und man
hatte den Eindruck, daß die Tanzenden nicht mehr aufhören wollten.
In den Kellersälen, wo andere
Musikgruppen aufspielten, saßen die Leute zuhörend auf dem Boden und
gaben frenetischen Beifall. Dem unheimlichen Zauber konnte man nur entgehen,
wenn man in den Gängen außerhalb der Tanzebenen den Markt mit
authentischer Volkskunst (wie beispielsweise, Trachten, traditionelle
Musikinstrumente etc.). |
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Kreistanz "nach Anleitung"
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Auch CDs und Kassetten wurden gekauft. Wundern
Sie sich also nicht, wenn Sie in nächster Zeit bei Bekannten
bäuerliche Musik hören, wobei der Gastgeber einen befremdlichen,
leicht entrückten Gesichtsausdruck erhält. Das sind nur die
Auswirkungen vom sich rasch verbreitenden Tanzhaus-Virus (virus tanchazis).
Verschnaufpause...
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Montag früh frühstückten
einige von uns im Cafe Gerbeau, einem berüchtigten Cafe in Budapest, wo es
solche unangenehm angenehmen Sachen wie Grammelpogatschen, Esterhazy-, Dobos,
Gerbeau- Torten gab, und alles zu einem so schlechten Kaffee, daß wir
alle noch einen nachbestellten. Anschließen fuhren wir wieder zurück
nach Deutschland. |
Ich weiß nicht, wie es den anderen
Mitabenteurern erging, aber bei mir hatte das ganze noch Nachwirkungen: Man sah
mich in der Woche "danach" in einer Kneipe mit einem Barackpalinka, angezogen
mit einer Szekler-Weste (die ich wahrscheinlich im Nepstadion erstanden habe),
wo ich Freunden ganz begeistert von der Fahrt erzählte. Erst jetzt
kann ich mich langsam aus dem Bann lösen, in den mich diese Fahrt zog.
Wir kommen wieder wenn es heißt:
"Tanzhaustreffen in Budapest"!
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Christine Barth |