Nicht alltägliches aus der siebenbürgischen Alltagskultur

XIII. Siebenbürgische Ferienakademie in Thalmässing bei Nürnberg

Vom 27. Dezember 1998 bis 2. Januar 1999

Die 13. Ferienakademie hatte das Schwerpunktthema "Alltagsgeschichte Siebenbürgens". Damit sollten möglichst viele Bereiche des städtischen und dörflichen Lebens Siebenbürgens in den Mittelpunkt gerückt werden, um gleichsam schlaglichtartig Einzelmomente aus dem Zusammenleben einer multiethnischen Gesellschaft herauszugreifen und untersuchen zu können.

Den Anfang machte Johannes Killyen, der in seinem Vortrag anhand zahlreicher Hörbeispiele das Musikschaffen und die Musikpflege der Siebenbürger Sachsen beleuchtete, insbesondere auch das Volkslied und auch das Kunstlied berücksichtigend. Über Kleidung, Mode und Modetrends bei den Siebenbürger Sachsen referierte Irmgard Sedler. Sie zeigte mit Hilfe von Diapositiven, welche Wege die verschiedenen Stilelemente von der Adels- bis hin zur Bürgertracht nahmen. Attila Verok sprach über ein Forschungsprojekt der Szegediner Universität, welches sich die Erforschung der Lesekultur in Siebenbürgen im 16. Und 17. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat. Dabei geht es um die statistische Aufbereitung von in den Siebenbürgischen Archiven vorhandenen Bibliothekslisten, die Rückschlüsse auf das damalige Leseverhalten ermöglichen.

Daniel Beins Vortrag über die Begräbnisbräuche der reformierten Ungarn beschäftigte sich vorrangig mit den sogenannten "kopjafák" (Grabpfähle). Die Ursprünge dieser teilweise reichhaltig verzierten Grabpfähle werden häufig zuunrecht in vorchristlichen Zeiten angesiedelt, obwohl sie eine nachreformatorische Form des Grabschmuckes darstellen. Auch die Vorstellung, daß anhand bestimmter Ornamente Aussagen über Stand, Alter und Geschlecht des Verstorbenen getroffen werden, verwies Daniel Bein in das Reich der nicht belegten volkskundlichen "Mythen". In einem weiteren Kurzvortrag referierte er über die Entwicklung der ungarischen Tanzhausbewegung zu einer in den siebziger und achziger Jahren weit verbreiteten Protestbewegung und Massenkultur.

Dr. Harald Roth referierte über das "Alltagsleben sächsicher Pfarrer", das er anhand von bischöflichen Visitationsberichten nachzeichnete. Für großes Erstaunen sorgte dabei die Tatsache, daß lange Zeit den Pfarrern in den Gemeinden das Recht zum Ausschank zustand. Als einen häufig vernachlässigten Aspekt der "Alltagskultur beleuchtete Heike Frenzel in ihrem Vortrag die Entstehung und den Ausbau des Hygiene- und Sanitätswesens in Hermannstadt. Den Abschluß der am Schwerpunktthema orientierten Vorträge bildete der Beitrag von Konrad Klein über die Bildkultur in Siebenbürgen. Von der Kunst- über die Scherz- bis hin zur Werbepostkarte zog er gut hundert Jahre Kulturgeschichte anhand der kleinen Pappkartons nach, die sich auch heute noch in unserer Alltagskultur großer Beliebtheit erfreuen.

Die nicht schwerpunktgebunden Referate boten eine breite Themenpalette. Der Vortrag von Meinolf Arens hatte den Kuruzzenaufstand (1703-1711) zum Thema. Die Hintergründe für diesen Aufstand bildeten nicht nur die Unzufriedenheit der ungarischen Adligen mit dem Wiener Hof, sondern auch die wachsende Ausbeutung Ungarns durch die kaiserlichen Soldaten. Trotz zeitweiliger Erfolge scheiterte der Aufstand; die Anführer gingen ins Exil. Csilla Rácz`s Bericht über ihre eigenen Forschungen zur Ethnizität der Sathmarer Schwaben machte die Problemstellungen der Feldforschung deutlich, angefangen von einander widersprechenden Aussagen bis zur Verhinderung der Arbeit durch die (Dorf-) Obrigkeit. Christoph Kaisers Vortrag widmete sich der jüdischen Kultur in der Maramuresch. Der Referent näherte sich dem Thema zunächst über die geographische und historische Abgrenzung des Gebietes, um anschließend durch den Einsatz von Dias auch eine optischen Eindruck dieser landschaftlich beeindruckenden Region zu vermitteln. Imola Kocsis` aktuelles politikwissenschaftliches Referat über die Konsequenzen eines ungarischen EU-Beitritts und das Entstehen einer neuen "Kulturgrenze" zwischen Ungarn und Rumänien führte zu erhitzten Diskussionen unter den Teilnehmern. Den Bezug zur aktuellen Politik, nämlich der der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Einreisewilligen aus Rumänien, stellte Claudia Zaheu mit ihrem Vortrag über die Arbeit des deutschen Konsulates in Hermannstadt her. Das "schwere Los" einer Fremdenführerin in Kronstadt, die sich mit der schier unerschöpflichen Ignoranz der einheimischen und ausländischen Touristen "herumplagen" muß, schilderte Mirela Kulin in ihrem mit einem Augenzwinkern vorgetragenen Erlebnisbericht.

Das Rahmenprogramm bestand, wie immer, in einer Exkursion, diesmal in die Stadt Weißenburg, wo nach einer Stadtführung in Eiseskälte das Römermuseum mit seinem berühmten 1979 entdeckten Römerschatz lockte, in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften (Literatur, Tanz, Internet). Zudem fanden die Jahreshauptversammlungen von Transylvania Tours e.V. und von Studium Transylvanicum statt.

Wer dachte, die Zahl 13 sei unbedingt mit Unheil verbunden, der wurde auf der 13. Siebenbürgischen Ferienakademie eines besseren belehrt. Sie kann nämlich als durchweg gelungen bezeichnet werden, nicht nur von den Vorträgen, sonder auch von der Atmosphäre her. Dabei hatten es die Organisatoren bestimmt nicht leicht, mußten sie sich doch nicht nur mit permanenten Improvisationen – wegen zahlreicher ausgefallener Vorträge- hervortun, sondern auch viele Neulinge, mich eingeschlossen, in eine scheinbar festgefügte Gemeinschaft integrieren. Wie gut sie es geschafft haben, zeigte das Programm des Silvesterabends, als alle Teilnehmer sich an der "Siebenbürgischen Modenschau" beteiligten und dabei in kleinen Szenen und Sketchen das Erlebte und Erfahrene von seiner lustigen Seite Revue passieren ließen.


Franz Horvath



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Dokument: ../st/sfa_98.htm, Version vom 27.04.99