Die seit elf Jahren stattfindende und von Studium Transylvanicum organisierte 12. Siebenbürgische Ferienakademie fand vom 27. Dezember 1997 bis 3. Januar 1998 im mittelfränkischen Thalmässing bei Nürnberg statt. Viele neue Gesichter und "Frischlinge" sowie die höchste Anzahl von Teilnehmern aus Siebenbürgen seit Bestehen der Veranstaltung verliehen dieser Ferienakademie eine besondere Note.
Eine Woche lang hieß es wieder das wissenschaftliche sich-beschäftigen mit der Geschichte und Landeskunde Siebenbürgens mit Unterhaltung und Spaß zu kurz kommen zu lassen. Und jeder, der schon mal dabei war weiß, daß dies bei der Siebenbürgischen Ferienakademie gelingt. Die diesjährige Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. durchgeführt wurde, hatte die auswärtigen Beziehungen der historischen Region Siebenbürgens zum Gegenstand. Daß es solche im Verlauf der Geschichte sowohl im politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bereich als auch in allen Kulturbereichen (z.B. Musik, Sprache, Kunst) gab, belegten wie stets auswärtige Fachleute sowie Referenten aus den eigenen Reihen.
Zum Auftakt führte Prof. Dr. Ekkehard Völkl einleitender Vortrag "Grundzüge und Möglichkeiten auswärtiger politischer Beziehungen Siebenbürgens im Wandel der Zeit" in die methodologischen Fragen und Feinheiten des Rahmenthemas ein. Es folgte Gerald Volkmer mit einem Referat "Die Beziehungen des Königreichs Ungarn zum Heiligen Römischen Reich zur Zeit Kaiser Karls IV". Der Referent stellte die außenpolitischen Schnittpunkte zwischen Kaiserhaus und ungarischem Königshaus im 14. Jahrhundert vor, die hauptsächlich in Deutschland, Italien und Südosteuropa lagen. Zur Sprache kamen dabei auch die auf Expansion ausgerichtete Heiratspolitik der Luxemburger und Anjous sowie die an der ungarischen Außenpolitik beteiligten Persönlichkeiten aus Siebenbürgen.
Den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit vollzog Meinolf Arens, der über die Annektionsversuche des Hauses Habsburg gegenüber dem Fürstentum Siebenbürgen zwischen 1600 und 1605 zu berichten wußte. Arens ging besonders auf die militärischen Aktionen der Habsburger bei deren Versuch ein, sich Siebenbürgen einzuverleiben, und zeichnete dabei auch die historische Gestalt Michael des Tapferen frei von jeglichem politischen Pathos nach. Die sogenannten Proseminare, in denen das Lesen und Interpretieren historischer Quellen geübt wird, ließen die Teilnehmer noch intensiver in die Thematik eintauchen. Dr. Martin Armgart betreute das Thema "Die Beziehungen Siebenbürgens zum Königreich Polen sowie zu den Staaten der Krimtataren und Kosaken während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Meinolf Arens beleuchtete "Siebenbürgen in den außenpolitischen Konzeptionen des Habsburgerreiches".
Darauf aufbauend berichtete Rüdiger Schiel über die habsburgische Militärgrenze im 18. Und 19. Jahrhundert, die durch die südlichen und östlichen Landstriche Siebenbürgens führte. Auf ihre administrative Sonderstellung wies der Referent besonders hin begünstigte sie doch die Verbindungen Siebenbürgens zur gesamten Habsburgermonarchie erheblich.
Wichtig waren die auswärtigen Einflüsse auch auf das kulturelle Leben in Siebenbürgen. Diese veranschaulichte Wolfgang Sand am Beispiel des Musiklebens der Siebenbürger Sachsen in Kronstadt während des 19. und 20. Jahrhunderts. Aufschlußreich zeichnete der Referent anhand von Schriftstücken und Tonbeispielen die Wirkungen auf das von den Organisten der Honterusgemeinde geprägte geistliche und weltliche Musikleben der Stadt nach.
Sprachwissenschaftliche Interferenzen wies Hanni Markel in ihrem Vortrag "Siebenbürgisch-sächsische Redensarten und ihr Verhältnis zum binnendeutschen Sprachraum" nach. Dr. Annemie Schenk beleuchtete in ihrem Beitrag die regionale Differenzierung der Alltagskultur in Siebenbürgen unter Berücksichtigung von Einflüssen aus Ost und West und wies unter anderem am Beispiel der Nutzpflanzen (z.B. Mais) und Kleidungsformen (z.B. Muster) die Vernetzung Siebenbürgens mit dem orientalischen und okzidentalischen Handel nach. Nils H. Mazgareanu erläuterte am Beispiel der sogenannten "Schwedenstraße" die Wesenszüge internationaler Wirtschaftsprojekte in Siebenbürgen und Rumänien in der Zwischenkriegszeit. Die von einer schwedischen Firma zwischen 1931 und 1938 gebaute Überlandstraße fürhre von Bukarest über Ploesti, Kronstadt, Hermannstadt und Klausenburg nach Großwardein. Noch heute ist sie wichtige Verkehrsader.
Außerhalb des Schwerpunktthemas bewegten sich fünf Vorträge: Wolfgang Wünsch widmete seinen Beitrag "Individuum und Gemeinschaft bei den Siebenbürger Sachsen im Mittelalter" den unterschiedlichen Formen sozialer Gemeinschaft bei den Siebenbürger Sachsen und beleuchtet insbesondere die Nachbarschaften sowie die Bruder- und Schwesternschaften .Ein aktuelles Thema griff Benjamin Jòzsa auf, der sich mit der Behandlung der Geschichte Siebenbürgens in rumänischen Schulbüchern auseinandersetzte. Nicht nur ihre verzerrte Darstellung, sondern auch das neu verabschiedete Schulgesetz, das die rumänische Sprache für den Geschichtsunterricht verbindlich vorschreibt, lösten eine angeregte Diskussion unter den Teilnehmern aus.
Das Neue Jahr wurde mit einem Vortrag zur Bildenden Kunst eingeleitet. Karina Kloos stellte das Leben und Werk der siebenbürgisch-sächsischen Künstlerin Grethe Csaki-Copony anhand von biographischen Begebenheiten und ausgestellten Bildern vor.
Einem wenig bearbeiteten Themenbereich widmete sich Ingrid Gabel, die "Neues aus der siebenbürgisch-sächsischen Frauenbewegung" mitteilte. Dabei warf sie vor allem methodische Fragen auf, die sie im Kontext der europäischen Frauenbewegung vertiefte.
Abschließend referierte Christoph Kaiser über die "Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert". Kaiser zeigte auf, wie im Laufe des Jahrhunderts unter verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Städte in Siebenbürgen entstanden, wuchsen oder stagnierten. Daß Tagungsprogramm der Ferienakademie wurde am Abend durch zwei fakultative Arbeitsgruppen ergänzt. In der ersten AG konnte Dank Benjamin Jòzsa der während der letztjährigen Ferienakademie begonnene Ungarisch-Sprachkurs unter reger Teilnahme fortgsetzt werden. Dirk Beckesch, Begründer des im Internet aufzufindenden Online-Forums für Siebenbürgen (SibiWeb http://www.sibiweb.de), stellte in der gleichlautenden AG die Möglichkeiten des SibiWebs vor, über Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen weltweit zu informieren.
Schließlich führte eine gemeinsam unternommene Exkursion die Teilnehmer in das einst vom Deutschen Orden gegründete mittelfränkische Städtchen Wolframs-Eschenbach, den angeblichen Geburtsort des gleichnamigen Dichters.
Trotz des "akademischen" Hauptprogramms blieb wie immer auch genügend Zeit übrig, den den "Feriencharakter" der Veranstaltung zum Zuge kommen zu lassen. Die zahlreichen Spaziergänge zu jeder Tages- und Nachtzeit, das Tanzen nach verschiedensten Klängen und Rhythmen und die bereits legendär gewordene Silvesterfeier rundeten die Woche angemessen ab. Nicht unerwähnt bleibe schließlich der allseits beliebte und gern geschobene Küchendienst, wo man sich beim Kartoffeln und Zwiebel schälen erst richtig kennenlernt.
Es gäbe viel zur Siebenbürgischen Ferienakademie und zu Studium Transylvanicum zu berichten. Wie bei jeder guten Mahlzeit kommt es mitunter auf die richtige Gewürzmischung an. Und diese Mischung hat Studium Transylvanicum mit seiner Siebenbürgischen Ferienakademie wohl erreicht. Jedesmal gilt es erneut, interessierte junge Menschen zusammenzubringen, die sich gemeinsam eine Woche lang mit der Geschichte und Landeskunde Gesamtsiebenbürgens beschäftigen wollen. Und wenn eine Teilnehmerin, die zum ersten Mal dabei war, sagte, sie sei in ihrem Bewußtsein bestärkt worden aus Siebenbürgen zu kommen habe viele neue Denkanstöße erhalten und sei von dieser Form des Zusammenlebens und -arbeitens begeistert, dann ist dem nichts mehr hinzuzufügen.
Nils H. Mazgareanu, Gerald Volkmer