Schwerpunktthema der diesjährigen Ferienakademie, veranstaltet von Studium Transylvanicum in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, war Siebenbürgen in der Zeit vom 14. bis zum 16. Jh., eine Zeit des wirtschaftlichen und politischen Aufbaus Siebenbürgens nach dem verheerenden Mongoleneinfall von 1241, eine Periode der Entwicklung von Städten und Dörfern, insbesondere jener der Siebenbürger Sachsen. Die wirtschaftliche Blüte förderte die sozialen und politischen Strukturen des Landes, die bis ins 19. Jh. Bestand haben sollten. Überschattet wurde der Aufschwung jedoch von der aufkommenden Türkengefahr. Diese gipfelte schließlich in der Schlacht von Mohács (1526), die wiederum die Teilung Ungarns und Entstehung des Fürstentums Siebenbürgen nach sich zog. Die vielfältigen Vorträge zu den verschiedensten Aspekten dieser Zeitspanne boten dem Kenner wie dem Laien ein umfassendes Bild dieser faszinierenden Epoche.
Einen Einstieg in wichtige geschichtliche Ereignisse, die diese Epoche prägen sollten, bot Dr. Martin Armgart (Speyer) mit einem Überblick über die Kreuzzüge, heilige Feldzüge des christlichen Abendlandes gegen die Feinde des Christentums. Schwerpunkt der Darstellung waren die Kreuzzüge auf dem Balkan von 1396, 1444 und 1464 gegen das sich immer weiter in Europa ausbreitende Osmanenreich, die sich teilweise auf dem Gebiete Siebenbürgens abspielten und für die Entwicklung der Region von Bedeutung waren.
Den politischen Rahmen der Epoche setzte Dr. Konrad Gündisch (Oldenburg) mit einem Überblick über die damals herrschenden Königshäuser in Ungarn, die Anjous und die Jagellonen und deren Verflechtung mit den europäischen Königshäusern, sowie mit einer anschließenden Beleuchtung der bestehenden politisch-administrativen Einheiten in Siebenbürgen. Die Könige förderten die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes nach europäischem Vorbild. Der ständige Interessenkampf um die ungarische Krone führte zum Erstarken des Adels in den Komitaten sowie zur Bestätigung der Privilegien und Selbstverwaltungsrechte der in Siebenbürgen angesiedelten Sachsen auf dem Königsboden und Szekler auf dem Szeklerboden. Diese waren rechtlich dem Adel gleichgestellt und entwickelten sich in dieser Zeit mit dem Adel zu den regierenden Ständen Siebenbürgens.
Das dramatische Ende dieser Epoche, die Schlacht von Mohács im Jahre 1526, wurde von Dr. Meinolf Arens (München) spannend rekonstruiert. In detaillierten Positionsbeschreibungen wurde das Verhalten der gegnerischen Truppen während der Schlacht unter die Lupe genommen: die zahlenmäßige Überlegenheit des osmanischen Heeres, die taktischen Fehler des ungarischen Adels Hochwassers - alles Umstände, welche die verheerende Niederlage der ungarischen Armee und den Unfalltod des ungarischen Königs in der Schlacht bewirkten und die spätere Dreiteilung Ungarns zur Folge hatten.
Die sich durch die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Zeit herausbildenden sozialen Strukturen und ihre Problematik erfuhren gleichermaßen eine nähere Betrachtung. Daniel Ursprung (Hermannstadt) referierte über die Bauernschicht in Siebenbürgen und die Verschlechterung ihrer Situation mit der Entwicklung der Adligen zu allmächtigen Gutsherren. Die Bauern wurden zu mehr Abgaben und in die Leibeigenschaft gezwungen. Die Situation eskalierte schließlich in den Bauernkriegen von 1437 und 1514, in denen die Bauern eine Wiederherstellung der Anfangszustände fordern, aber vom Adel besiegt wurden.
Die Entwicklung der städtischen Strukturen in Siebenbürgen und deren Rechts- und Verwaltungssystem erläuterte Doris Binder-Falcke (Düsseldorf) anhand der Darstellung der städtischen Selbstverwaltung um 1500. Das städtische Rechtssystem der Siebenbürger Sachsen bestand zum einen aus der äußeren Verfassung, dem "Goldenen Freibrief", der für alle Stadtrechte auf dem Königsboden stand und vor allem die freie Gerichtsbarkeit, Pfarrerwahl, Personalhoheit, Höhe der Steuerlast und Kriegsleistung beinhaltete. Zum andern bestand es aus der inneren Verfassung, die Steuereintreibung, Zoll-, Zunft- und Marktangelegenheiten über den Rat der Stadt regelte. Weiterhin referierte Otto Elekes (Hamburg) über die Entstehung (1486), Struktur und Entwicklung der Sächsischen Nationsuniversität, dem politischen und verwaltungsrechtlichen Gremium der Siebenbürger Sachsen. Die spannungsreichen Beziehungen Siebenbürgens zu seinen Nachbarn Moldau und Wallachei, begründet durch wirtschaftliche Kontakte einerseits und politische Beziehungen andererseits, beleuchtete Franz Horváth (Heidelberg).
In den Mikrokosmos des spätmittelalterlichen Lebens drangen wir ein über den beeindruckenden Vortrag von Irmgard Sedler (Ludwigsburg) zu spätmittelalterlichen Bräuchen und Festen in Siebenbürgen. Bräuche, ein Produkt geschichtlicher Entwicklung, stellten von jeher ein Ordnen des Lebens dar und sollten den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken. Bräuche entstanden im Spätmittelalter u.a. aus der Unterhaltungskultur der Städte und erfuhren im Laufe der Zeit einen Übergang zum sächsischen Brauchtum. Bräuche dienen der moralischen Besinnung sowie bis zur Gegenwart der Bestätigung der Existenz als Gemeinschaft. Untermauert wurden diese Thesen anhand des Fastnachtsspiels vom "Jedermann" sowie mit Hilfe von Dias zum Urzellauf in Agnetheln mit Aufnahmen aus den 30er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, ursprünglich eine Parade der Zünfte, die in jüngeren Zeiten der Bestätigung dient, daß man als Sachse im Lande noch besteht.
Wolfgang Sand (Berlin) bot einen Einblick in das musikalische Leben Siebenbürgens während des Spätmittelalters und der Renaissance. Man erfuhr von den Eigenheiten der Musik bei den verschiedenen Ethnien aus älteren Quellen, bedeutende Musikerpersönlichkeiten wurden näher beleuchtet, darunter der legendäre Valentin Greff-Bakfark.
Anca Fleseru (Hermannstadt) vermittelte uns einen Überblick über Organisation und Betätigungsfeld der Hermannstädter Zimmermanns- und Tischlerzunft im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Auch das spätmittelalterliche Bildungswesen wurde untersucht. Melitta Seidner (Freiburg) veranschaulichte die Entwicklung des siebenbürgisch-sächsischen Schulwesens im 15. und 16. Jh. anhand der Schriften von Johannes Honterus und erläuterte dabei die Unterschiede zu Schulreformprogrammen anderer Reformatoren wie z.B. Melanchtons. Den Aufenthalt siebenbürgischer Studenten an europäischen Universitäten erläuterte Attila Verók (Szeged) unter spezieller Berücksichtigung der Universität Halle, wo er in einem Forschungsprojekt anhand der dort existierenden Matrikeln die Anzahl der siebenbürgischen Studenten, die belegten Studienfächer, die Finanzierung des Studiums und die Tätigkeitsbereiche der Studenten nach Abschluß des Studiums untersucht.
Immer beliebter werden auf der Ferienakademie die sogenannten Proseminare. Diese bieten allen Teilnehmern die Möglichkeit, aktiv an dem Erforschen des Themas mitzuwirken. Durch das Eintauchen in die Materie verlieren schließlich auch die Schüchternsten die Berührungsängste zum Thema. Unter Anleitung von Thomas Sindilariu (München) kam man dem Mythos der "Heiligen Krone" Ungarns aber auch der Wahrheit über die Krone näher. Sie wurde oft als die Krone des Heiligen Stephan ausgegeben, ist aber viel jünger und wurde recht stümperhaft in Eile aus 2 verschiedenen Stücken zusammengeschweißt.
Unter der Anweisung von Daniel Ursprung erforschten die Teilnehmer anhand verschiedener Thesen die Möglichkeiten der Herausbildung des rumänischen Adels in Siebenbürgen und dessen Status im spätmittelalterlichen Siebenbürgen. In diesem Zusammenhang wurde die Richtigkeit der von rumänischen Geschichtsbüchern verbreiteten These von der Unterdrückung der Rumänen als Ethnie im mittelalterlichen Siebenbürgen überprüft.
Doch referiert wurde nicht nur streng zum Spätmittelalter, sondern auch zu Themen von allgemeinem Interesse, wie der Beitrag Anna Maria Neamtu (Schäßburg) zum Leben und Werk von Trude Schullerus zeigte, oder zu aktuellen Themen, wie der Diavortag von Marton Sarkadi (Budapest) über seine Tätigkeit bei der Restaurierung der Kathedrale in Karlsburg deutlich machte. Dr. Zoltán Csedö (Budapest) referierte über die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ungarn und Rumänien vor dem Hintergrund des Statusgesetzes, das im Ausland lebenden Ungarn Vorteile in Ungarn selbst bieten soll - ein brisantes politisches Thema von großer Aktualität.
Ein unter den Teilnehmern sehr zündender Beitrag war die von Niklas Tartler (München) moderierte Diskussionsrunde über die psychischen Spätfolgen der zweiten Aussiedler-Generation, die sich um eine Definition und Einordnung der Begriffe Heimat und Identität bei verschiedenen von Migration betroffenen Generationen bemühte.
Fester Bestandteil des Akademie-Programms ist auch das abschließende Diskussionsforum, in dem Teilnehmer ihre aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten oder Förderungsmöglichkeiten für Studenten und Nachwuchswissenschaftler vorstellen.
Wer jetzt denkt, es wurde nur hochwissenschaftlich doziert und diskutiert, der irrt sich. Das vielfältige Abendprogramm, von den Organisatoren in Anlehnung an die sonst doch vorwiegend akademische Betätigung als AGs (Arbeitsgemeinschaften) bezeichnet, bot Anlaß zu einer Menge Spaß.
Innerhalb der AG Literatur schnupperten viele unter Anweisung von Crenguta Trînca (Würzburg) zum ersten Mal in das Werk des rumänischen Schriftstellers Liviu Rebreanu. Unter der Leitung von Emese Szokács (Budapest) machten wir eine Reise zu den Anfängen des Theaters in Siebenbürgen.
Sehr beliebt waren wie immer die Tanz-AGs. "Wechselschritt und Tipp-Tipp" hieß der Aufmarsch zur siebenbürgischen Kreuzpolka unter der professionellen Leitung von Astrid Kelp (Heilbronn). Als der Siebenbürgische Rheinländer gleich hinterher einstudiert wurde, war bei so manchem das Durcheinander komplett. Und dann erst recht, als am nächsten Abend unter der Leitung von Dr. Zoltán Csedö der langsame Csárdás mit dem "Dötz" und die schnellere Version mit dem Stampfen dazukamen.
Nicht des Rumänischen Mächtige lernten unter der Leitung von Katja Lasch (München) sich auf Rumänisch vorzustellen und zu zählen, so daß bis zuletzt auch jeder das komplizierte Wort "saisprezece" ohne Stocken über die Lippen brachte.
Dem vor Jahren begonnenen Projekt zum Basteln eines Siebenbürgen-Quizes unter der Koordination von Daniel Ursprung wurde in der AG-Trivial Pursuit der letzte Schliff verpaßt. Organisatorische Maßnahmen zur Fertigstellung wurden eingeleitet, so daß das Spiel aller Voraussicht nach pünktlich zum Heimattag in Dinkelsbühl fertig werden wird. Das Probespielen mit der Rohfassung machte so viel Spaß, daß es während der Ferienakademie zu einer regelmäßigen Freizeit - und Abendbeschäftigung vieler Teilnehmer wurde.
Ein nach der vielen Beanspruchung der "grauen Zellen" jedes Jahr heiß erwartetes Event, die Exkursion, führte uns diesmal unter der Leitung von Birgit Fernengel (Nürnberg) und Rüdiger Schiel (München) nach Nürnberg, wo wir nach kurzer Stadtbesichtigung im märchenhaft verschneiten Nürnberg auf den Spuren der ungarischen Viehzüchter die Fleischbrücke überquerten und nach anschließender Schneeballschlacht auf der Burg das neu eröffnete Museum im Fembohaus besichtigten. Vom 4. Stockwerk bis zum Erdgeschoß des prachtvoll gebauten ehemaligen Patrizierhauses wurden wir anhand modernster Technik durch die Geschichte der mittelalterlichen Stadt Nürnberg geführt.
Das "gesellschaftliche" Highlight der Ferienakademie ist und bleibt die Silvesterparty, durch deren Programm Annegret Barth (Bischofsheim) und Rüdiger Schiel führten. Im Vorfeld der Feierlichkeiten wurde das 10jährige Bestehen von Transylvania Tours e.V. gefeiert, mit Riesenbeifall der Seele des Vereins, Nils Hakan Mazgareanu (Nürnberg), gedankt und an die vielen wunderschönen Reisen erinnert. Bevor ausgelassen gefeiert und getanzt wurde mußten unter dem diesjährigen Sylvestermotto vier Gruppen aus dem Teilnehmerkreis versuchen, einen "Staatssekretär" (alias Daniel Ursprung), auch "Büroschweizer" genannt, umzustimmen, der tags zuvor in die Veranstaltung hereinplatzte und den Veranstaltern androhte, die Gelder für die Ferienakademie wegen der "Unprofessionalität der Veranstaltung" zu streichen und die Ferienakademie mit sofortiger Wirkung zu schließen. Unter dem dröhnenden Gelächter der Zuschauer, haben die vier Gruppe ihr Bestes gegeben. Kein Mittel war ihnen zu aufwendig, um den "Herrn Staatssekretär" umzustimmen: die Kerzer Mönche (und "Mönchinnen") wurden heraufbeschworen, attraktive Damen traten auf, um den Herrn Bürokrat zu becircen, die Mitglieder sämtlicher Ethnien Siebenbürgens flehten ihn an, der Vorgesetzte aus der Schweiz vom "Amt für Ablehnungen" wurde eingeflogen, ja sogar der Bundeskanzler, Herr Schröder persönlich, kam zu Hilfe, um die Ferienakademie vor dem Aus zu retten, so daß das Unheil letztendlich doch noch abgewendet werden konnte und die Ferienakademie glücklicherweise auch im nächsten Jahr stattfinden kann.
Na - auch Lust bekommen?.... Informationen zu Studium Transylvanicum und zur Ferienakademie mit einer Menge Fotos zum Berichteten (so kann man sich alles besser vorstellen!) findet Ihr unter http://sibiweb,de/st/ bzw. https://sibiweb.de/bilder/sfa_2001/.
Andrea Josof