Die Siebenbürgische Ferienakademie



Der offene Kreis

Studium Transylvanicum als Freundeskreis und die Rolle der Nichtsiebenbürger

Studium Transylvanicum versteht sich seit seiner Entstehung im Jahre 1986 als ein Zusammenschluß junger Interessenten an vergangenen und gegenwärtigen Geschehnissen und Begebenheiten in Siebenbürgen und seinen benachbarten Regionen. Die Interessenten und ihre Interessensgebiete sind heterogen. Zwar dominieren historische Themenkomplexe im weitesten Sinne vor literarisch oder naturwissenschaftlich ausgereichteten Beiträgen, doch kann von einer einseitigen Themenauswahl nicht die Rede sein. Obgleich die Mehrzahl der Teilnehmer und Referenten an Veranstaltungen von Studium Transylvanicum Siebenbürger Sachsen sind, nehmen an jedem Workshop oder jeder Ferienakademie mehrere nichtsächsische Siebenbürger und Nichtsiebenbürger teil, was keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man andere, in der Regel landsmannschaftlich organisierte Vereinigungen in Deutschland betrachtet. Die Zahl der nichtsiebenbürgischen Teilnehmer ist ungefähr so hoch wie jene der teilnehmenden Ungarn und Rumänen zusammen. Oftmals machen diese beiden Gruppen ein Drittel der Teilnehmer aus. Integrationsprobleme für Nichtsiebenbürger existierten und esistieren innerhalb eines Teilnehmerkreises nicht. Entscheidend für die Integration ist nicht die Herkunft, sondern das Interesse jedes einzelnen am Thema Siebenbürgen und am jeweiligen Schwerpunkt einer Veranstaltung. Eine Trennung zwischen jungen Siebenbürger Sachsen und nichtsiebenbürgischen Teilnehmern ist oftmals nicht zu ziehen und auch unsinnig. Zu welcher Gruppe gehört etwa ein Teilnehmer, der seit frühester Jugend in Deutschland lebt und Siebenbürgen nur von den Erzählungen seiner Eltern kennt, nie seit seiner Aussiedlung dorthin gereist ist und vielleicht einige auf Siebenbürgen zu beziehende dialektale oder kulinarische Rudimente vorzuweisen hat, um sich als Siebenbürger Sachse auszuweisen? In der Zukunft wird diese Gruppe gerade unter jungen Menschen rasch zunehmen. Häufig sind es nichtsiebenbürgische Freunde, die aus beruflichem, fachlichem oder einfach aus persönlichem Interesse heraus für die Teilnahme, Mitarbeit und Gestaltung an Veranstaltungen von Studium Transylvanicum gewonnen werden.

Die Offenheit von Studium Transylvanicum hinsichtlich des Interessentenkreises ist deutlich im Zusammenhang mit der inhaltlichen Zusammensetzung zu sehen. Es ist eben nicht so, daß nur Siebenbürger über siebenbürgische Fragestellungen referieren und diskutieren und dabei Siebenbürgen eher als isoliertes Phänomen bertachten, was insbesondere in der Vergangenheit ein Problem des Konzepts der Landeskunde in Europa im allgemeinen darstellte. Stattdessen wird versucht, Siebenbürgen betreffende Prozesse und Ereignisse im Kontext zu benachbarten Kulturräumen und Staaten zu beschreiben und zu erfassen. Dabei kann die Sichtweise von »Außenstehenden« nützlich sein. Wichtig für die künftige Forschung, Interpretation und Darstellung von Siebenbürgen betreffende Fragestellungen aller Art kann der belebende Austausch zwischen Siebenbürgern und Nichtsiebenbürgern sein.

Es wäre meines Erachtens problematisch, die Darstellung der Geschichte und Kultur sowie die Diskussion über Entwicklungen im heutigen Siebenbürgen den Siebenbürger Sachsen, Ungarn und Rumänen allein zu überlassen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sich Bayern mit Fragen zu Schweden auseinandersetzen oder Polen mit Prozessen in und um Turkmenistan, sollten sich Nichtsiebenbürger mit Siebenbürgen beschäftigen. Ein kleiner Beitrag in dieser Richtung wird bei Studium Transylvanicum geleistet.

Da die Siebenbürger Sachsen zum grösten Teil verstreut in Deutschland leben und vor allem die jüngeren sehr rasch ins bundesdeutsche Lebensmodell integriert werden, in dem für Gewohnheiten aus der siebenbürgischen Heimat nur in privaten Bereichen Nischen bleiben, ist es für ihre letzte - das zeigen die anfangs zahlenmäßig um ein Vielfaches größeren Gruppen der Schlesier und Ostpreußen - junge Generation, die ihre ersten Prägungen noch in Siebenbürgen empfangen hat und daher noch zu den Siebenbürger Sachsen gerechnet werden kann, wohl auch eine Aufgabe und Chance, Nichtsiebenbürger auf siebenbürgische Themen aufmerksam zu machen und Interesse für dieses Land und seine Landeskunde zu wecken. Die Zahl derjenigen jungen Sachsen, die noch bereit sein werden und die Möglichkeit haben, sich über Siebenbürgen zu informieren, sich mit diesem Land intensiv zu beschäftigen, wird mittelfristig stark abnehmen. Als Beispiele kann man auch hier die Jugendorganisationen der »Altvertriebenen« heranzoehen.

In der Zukunft wird nicht mehr die Herkunft in erster Linie für die Teilnahme an Veranstaltungen zu Siebenbürgen ausschlaggebend sein, sondern das Interesse an den Sachthemen. Der offene und progressive Kreis von Studium Transylvanicum wird und muß diesen Weg weiter gehen.

Meinolf Arens


Zurück zur Hauptseite von Studium Transylvanicum Zur Hauptseite des SibiWeb

Dokument: ../st/o_kreis.htm, Autor: Dirk Beckesch, letzte Änderung, am 30.01.03