Die Siebenbürgische Ferienakademie


Unsere Inter-Ethnik

Beim Studium älterer und auch neuerer Werke über Siebenbürgen aus den Federn der Angehörigen der verschienen Bevölkerungsgruppen dieses Landes entsteht oft der Eindruck, daß es sich nicht um dieselbe Region handle. Ein rumänisches, ein ungarisches, ein sächsisches Siebenbürgen scheinen nebeneinander zu existieren.

Mit diesem alten Problem der Siebenbürgen-Forschung sieht sich auch Studium Transylvanicum konfrontiert. Seit den ersten Veranstaltungen vor nunmehr neun Jahren wurde versucht, neue Wege bei seiner Lösung zu suchen und zu gehen.

Die gewohnheitsmäßig ethnisch gebundene Forschung wird innerhalb der einzelnen Gemeinschaften ununterbrochen weiter tradiert. Lange zurückliegende historische Ereignisse, oft ihres Zusammenhangs beraubt, werden bequemerer Argumentation wegen quasi in die Gegenwart projiziert. Andererseits werden moderne Vorstellungen über Volk und Staat weit zurückverlegt. Diese unhistorische und ethnozentrische Sicht der Geschichte ist ein generelles Problem der beteiligten Völker. Dadurch wird die Einordnung der Landesgeschichte in größere Zusammenhänge unmöglich gemacht, was zu einer äußerst geringen Rezeption der Forschungsergebnisse durch nichtsiebenbürgische Fachleute führt. Selbst nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Blocks in Ostmittel- und Osteuropa sind andere Anschauungen noch eher Einzelerscheinungen.
So bestand denn der erste Ansatz von Studium Transylvanicum darin, die jeweils »eigenen« Position zu hinterfragen, sich von der »ererbten« Meinungsbildung unabhängiger zu machen, um andere Sichtweisen objektiver prüfen zu können. Selbstverständlich können dadurch viele Kontroversen nicht aufgehoben werden, es zeigte sich jedoch schnell, daß schon die gleichberechtigte Diskussion manche Aufgeregtheiten entschärfen kann. Im Laufe der Jahre wurde erreicht, daß innerhalb von Studium Transylvanicum die drei großen beteiligten ethnischen Gruppen durch junge Forscher vertreten sind, die diese Grundsätze teilen.

Zu den Zielsetzungen von Studium Transylvanicum gehört die Verbreitung dieser Ansätze nicht nur unter jungen Fachleuten, sondern in breiteren Bevölkerungsschichten. In Deutschland, Ungarn und Rumänien gibt es inzwischen Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete, die Auswege aus den eingefahrenen Wegen suchen. Ihnen bietet sich Studium Transylvanicum mit wachsendem Erfolg als Forum an.

Schon vor 1989 zeigte dieses Konzept erste Ergebnisse. Im Wintersemester 1987/1988 veranstaltete Prof. Dr. Dr. Harald Zimmermann mit Assistenz von Konrad Gündisch an der Abteilung für mittelalterliche Geschichte des Historischen Seminars der Universität Tübingen ein Hauptseminar über den Mongolensturm 1241 mit Schwerpunkt auf den Auswirkungen für Siebenbürgen. Mit Studenten der Tübinger Partneruniversität Klausenburg konnte schließlich eine gemeinsame Veranstaltung durchgeführt werden. Während dieser neuntägigen wissenschaftlichen Exkursion nach Siebenbürgen und in die nördliche Moldau bot sich den teilnehmenden Studenten die Möglichkeit, ihre jeweiligen Ergebnisse auszutauschen. Da diese Art von Veranstaltungen dem Konzept von Studium Transylvanicum entsprach, wurden die Siebenbürgischen Semesterblätter zur Publikation der Resultate zur Verfügung gestellt: Die Referate sind größtenteils in Heft 2 des zweiten Jahrgangs (1988) enthalten.

Erst der Umbruch in Rumänien im Dezember 1989 ermöglichte Studium Transylvanicum, selbst vor Ort in Siebenbürgen tätig zu werden, Kontakte zu knüpfen, bestehende zu intensivieren, Mitarbeiter zu werben und Veranstaltungen durchzuführen. Das erste Seminar fand in der Form eines Workshops zwischen dem 11. und 21. September 1992 in Hermannstadt statt. Dabei konnte auf die Hilfe des Schwestervereins Transylvania Tours sowie des Jugendforums der Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt zurückgegriffen werden, so daß - zumal in Anbetracht der knappen finanziellen Mittel - eine auch organisatorisch gelungene Tagung durchgeführt werden konnte. Neben einem ausgeglichenen Beiprogramm, wie etwa der Führung des Archäologen Zeno Pinter durch Hermannstadt, und aufschlußreichen Referaten von Bischof D. Dr. Christoph Klein, vom damaligen deutschen Konsul Peter Finger sowie vom Parlamentarier Peter Weber, wurde ein ansprechendes wissenschaftliches Vortragsprogramm geboten, das die gegenseitige Vermittlung von Forschungsergebnissen und neuen Orientierungsansätzen nach 1989 zum Ziel hatte. Hierbei fanden selbstverständlich alle Ethnien Siebenbürgens Berücksichtigung.

Studium Transylvanicum unterhält zahlreiche Kooperationen mit Institutionen und Organisationen in Rumänien und Ungarn. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht auf der institutionellen Ebene, vielmehr wird versucht, intensive persönliche Kontakte zu einzelnen Mitarbeitern herzustellen, die den Leitgedanken von Studium Transylvanicum nahestehen. So bestehen Verbindungen zum Historischen Institut in Klausenburg, zur Hermannstädter Universität, zum Hermannstädter Institut für Gesellschaftswissenschaften sowie zum dortigen sowie zum Klausenburger protestantisch-theologischen Institut. In Ungarn erwies sich beispielsweise die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Germanistischen Instituts der Eötvös-Lóránd-Universität Budapest, der juristischen Fakultät der Universität Miskolc oder zur Gemeinschaft junger Ungarndeutscher als fruchtbar. Dabei werden natürlichen auch persönliche Kontakte der Mitarbeiter von Studium Transylvanicum zu zahlreichen anderen Institutionen einbezogen.

Die Teilnahme von Interessenten aus Rumänien und Ungarn wird durch öffentliche Zuschüsse sowie durch eigene Ersparnisse unterstützt, so daß regelmäßig Teilnehmer aus diesen Ländern eingeladen werden können, zu Ferienakademien bis zu sechs und mehr.

Wichtig für die künftige Arbeit von Studium Transylvanicum bleibt die Einbeziehung aller Ethnien Siebenbürgens und der rege Austausch mit nichtsiebenbürgischen Wissenschaftlern. Dabei muß die permanente Hinterfragung von als gesichert geltenden Erkenntnissen im Mittelpunkt stehen.

Daniel Bein


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Dokument: ../st/i_ethnik.htm, Autor: Dirk Beckesch<, letzte Änderung am 30.01.03