Der Hauptgeschichte erster Teil
(»Der Hauptgeschichte anderer Teil« möge in dem in zehn Jahren zu verfertigenden Festprogramm nachgelesen werden.)
Der Hauptgeschichte erster Teil Ob jemals später so angeregt diskutiert wurde, wie in der Abschlußrunde jener ersten Ferienakademie? Etwa als man sich wegen der Behauptung, der Landeskundeverein müsse und werde noch weiterbestehen, wenn die Landsmannschaft schon längst untergegangen sei, oder wegen jenes Zitats von Stephan Ludwig Roth über die Schamröte der Vorfahren, wenn die Nachkommen mitsamt ihrer Geschichte untergehen, beinahe in die Haare geriet? Im Grunde ging es dabei nur um den künftigen Schwerpunkt unserer Arbeit: Volkskultur oder Wissenschaft? Gleichwohl diese Diskussion noch eine geräume Weile weiterging und wohl auch heute immer wieder aufkommt, wurde die Entscheidung für die Wissenschaft dort schon gefällt, da all jene, denen dieselbe etwas ferner lag, schon bei den nächsten Veranstaltungen kaum mehr aufkreuzten.
Die Diskussion dort und während der Folgemonate hatten Gusti, Klaus, Reiner und Harald bestimmt und schon im Februar 1987 bei einer Tagung des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen in Bad Herrenalb fortgeführt. Auf der Rückfahrt im Zug wurde ein Name gesucht, eben für mehr als nur die Ferienakademie und die Nachwuchsseminare des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, zumal auch Studententagungen des Kulturreferats der Landsmannschaft im Entstehen zu sein schienen. Ein Studentenkolloquium in Kooperation Arbeitskreis und Südostdeutsches Kulturwerk war bereits für den Mai in München geplant. Das Ergebnis war schlicht »Siebenbürgische Jugendseminare«, ein Name übrigens, der sich bis heute in unserer »Kleinen Schriftenreihe« erhalten hat. Unter diesem Titel sollten die verschiedenen Veranstalter ihre Nachwuchstagungen unterbringen können, um dadurch Kooperation zu zeigen und Verwirrungen zu vermeiden.Die Sache ging trotz intensiven Werbens und vielfacher Entwürfe zu Diskussions- und Grundsatzpapieren kaum ein Jahr lang gut, da vor allem den damaligen Leitungen des Kulturreferats und der Bundesjugend der Landsmannschaft soviel »Wissenschaft« gar suspekt schien. Jedenfalls hielten wir uns an unser Konzept, brachten unter dem Titel »Siebenbürgische Jugendseminare« sowie den Nachdruck des »Siebenbürgisch-sächsischen Jugendbriefs« (1956-1966) als erstes Heft der Schriftenreihe zu Pfingsten 1987 heraus.
In dieser Zeit sahen wir uns ganz bewußt in Parallelität zum seinerzeitigen Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen der fünfziger und sechziger Jahre, der schließlich zur Wiedergründung des alten Landeskundevereins führte. Unsere Zugehörigkeit zu diesem traditionsreichen Verein, in dem man rasch auf uns aufmerksam wurde, stand nie in Frage, so daß es sich - da man stets zu »Standortbestimmung« gedrängt wurde - im Laufe des Sommers 1987 ergab, sich als eine Sektion des Arbeitskreises zu konstituieren, als »Arbeitsgruppe Jugend- und Studentenseminare im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde« In der bei der 25. Jahrestagung des Arbeitskreises im September 1987 vorgelegten Festschrift »Wege landeskundlicher Forschung« nahm unsKonrad Gündisch unter »Jugendseminare« bereits auf. Im Vorfeld dieser Tagung fand das zweite Einführungsseminar - nach 1986 in Freiburg - in Neckarmühlbach statt.
Unter dem Postulat einer dringend notwendigen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Nachwuchseinrichtungen erfolgte im Herbst 1987 ein weiterer Schritt, als Harald recht überraschend zum Stellvertretenden Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), der Landsmannschaftsjugend, gewählt wurde und deren Leitung im Frühjahr 1988 übernahm. Die Ferienakademiker sahen das mit skeptischer Mine, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und langfristig auch der Förderung verbesserten sich jedoch in kaum erahntem Maße. Parallel kam es hinsichtlich des Dachs »Siebenbürgische Jugendseminare« zu einer Ernüchterung; es wurde zwar nie abgebaut, es blieb jedoch ein leeres Gerüst. Die Kooperationswilligkeit hatte Grenzen, Profilierungsdrang überwog. Bei der Ferienakademie und der Arbeitsgruppe Jugend- und Studentenseminare aber gab es aufgrund einhelliger Meinung keine Ämter, keinen Vorsitzenden, keine Mitgliedschaft. Letztere bestand in der Mitarbeit - und mitarbeiten mußte und muß jeder, der dabeisein wollte und will, Konsum allein ist hier nicht bekannt. Heft 2 unserer Zeitschrift erschien - als eine Folge der Desillusionierung über das gemeinsame Dach - bereits unter dem Titel »Siebenbürgische Semesterblätter« (Übrigens erst Anfang Mai 1988)
Die zahlreichen und intensiven Diskussionen zu Fragen der Identität und des Selbstverständnisses als Siebenbürger Sachsen, als Siebenbürger, als Bundesdeutsche oder als Wissenschaftler spiegelte auch eine Tagung zusammen mit dem Hilfskomitee im Oktober 1987 in Drabenderhöhe wider. Unser Weg war noch nicht eindeutig festgelegt, das Verhältnis von Ferien und Akademie in den Veranstaltungen noch nicht unumstritten. Noch überwogen sächsische Themen auf der Suche nach der eigenen Geschichte, erst allmählich setzte sich eine gesamtsiebenbürgische Sicht durch. Sie war erst um die Jahreswende 1988/1989 etabliert, als bei der dritten Ferienakademie unsere »Leitgedanke« forrmuliert wurde. Die »Hinführung zur wissenschaftlichen Diskussion« und die »Fachstudenten« in den Leitgedanken unterzubringen, also eine Orientierung auf akademische Spezialisierung, war jedoch auch damals keineswegs einfach. Als Sprecher, die durch Konsens zu bestimmen waren und die den Kreis nach außen vertreten sollten, wurden für 1989 Gusti, Heinrich und Harald, für 1990 Doris, Uwe und Stefan benannt. Diese Institution bewährte sich jedoch nicht, da sie die kollektiv zu tragende Verantwortung nicht förderte, sondern eher die Tendenz, einige wenige als für alles zuständig zu erachten, so daß erneut Flexibilität gefordert war und sämtliche Ämter außer jenen der Vertriebs- und Finanzminister abgeschafft wurden. Als Kontaktmann zum Nachwuchs wurde jedoch Harald in der konstituierenden Sitzung des Arbeitskreisvorstandes im Herbst 1989 in denselben kooptiert (während des Studienjahres 1991/1992 vertreten von Gusti und Stefan).
Durch den zunehmenden Einsatz einer größeren Zahl von Mitarbeitern konnten auch die Aktivitäten ausgeweitet und Zuständigkeiten aufgeteilt werden. Stefan, damals Abiturient, stieg schon 1988 stärker ein, gefolgt von seinem Bruder Hakan. Die Kasse hatte Uwe bereits 1987 übernommen und ein eigenes Konto eingerichtet. Den ersten Kopierer freilich, mit dem die ersten Hefte von Zeitschrift und Schriftenreihe hergestellt wurden, hatten noch zwei Enthusiasten vorfinanziert. Im Laufe der Zeit kam eine Vielzahl von Seminarverantwortlichen hinzu (ihre Namen sind der Dokumentation aller Veranstaltungen im Anhang zu entnehmen), wenn freilich einige Namen immer wiederkehren oder dezent aus dem Hintergrund halfen. Die Gewinnung neuer Interessenten, ihre Integration in den sich stets als offen empfindenden Kreis und ihre Einbindung in die Verantwortung hatte stets Priorität. Es wurden im Laufe der Zeit Strategien entwickelt, wie potentielle Interessenten gefunden und wie sie als Mitarbeiter gewonnen werden konnten. Trotz begrenzter Möglichkeiten für Öffentlichkeitsarbeit nahm der Zulauf bei einer wachsenden Zahl an Veranstaltungen weiter zu. Wieviele hundert Teilnehmer die Veranstaltungen während neun Jahren »durchlaufen« haben, läßt sich schwer sagen.
Viele Diskussionen über Veranstaltungsformen, über Inhalte, über Führungsstil, Demokratie und Diktatur, über Wissenschaft und Volkstanz, über eigene und über fremde Ideale, über lustige und über derbe Witze, über Gebete vor dem Essen, über Bierflaschen in der Hand und über Feuerwerkskörper zu Sylvester haben zu einem ganz besonderen Stil gerade der Ferienakademien, zu einem besonderen Umgangs- und Diskussionsstil, zu hohen, ja sehr hohen Ansprüchen an Disziplin, an Inhalte und ihre Darstellung geführt. Sie haben aber auch zu Freundschaften, zu engen und intensiven Beziehungen geführt, zu einem Freundeskreis, der die Grundlage der Veranstaltungen über etliche Jahre bot. Einem Wanderzirkus gleich, wechselten die Veranstaltungsorte regelmäßig, gleichwohl sich Präferenzen herausgebildet haben: anfangs Dreifelden, allmählich Thalmässing, später Grasellenbach. Wichtig war und ist bei der Wahl der Häuser stets, als Gruppe geschlossen untergebracht zu sein, Tagungsräume und die Möglichkeit zur Selbstverpflegung - ein zentrales soziales Element - zu haben.
Im Frühjahr 1988 wurde - neben den bereits seit Frühjahr 1987 laufenden Kolloquien für Studenten - eine weitere Veranstaltungsform gefunden: die Workshops, oder genauer: die »Såksesch Workshops für Geist, Gemüth und Vaterlandskunde« - übrigens auch diese nach einer Idee von Gusti, der Titel in Anlehnung an eine Kronstädter Zeitschrift des 19. Jahrhunderts. Daß wir wegen dieses schrecklichen Anglizismus' genauso wie wegen des dreisprachigen Untertitels der Semesterblätter: rumänisch, ungarisch, deutsch - in der »Siebenbürgischen Zeitung« in Leserbriefen angegiftet wurden, hat uns zwar damals gefuchst, wundert uns aber bis heute nicht im geringsten. Zu den aktiven Organisatoren kamen allmählich auch Doris, Felix Depner Heinrich hinzu, Hildi und Håkan verstärkten ihren Einsatz, und nach und nach wurden auch Meinolf Arens und Martin Armgart Teile des sogenannten »harten Kerns«. Mit Meinolf, dem waschechten Westfalen, und Martin, dem bundesdeutschen Mediävisten teilweise ost- und südostdeutscher Herkunft, begann in diesem Kreis eine Entwicklung, die zwar von Beginn an angelegt war, inzwischen jedoch ausdrücklicher Teil des Programms wurde. Nämlich die planmäßige Integration von Interessenten nichtsiebenbürgischer Herkunft in unsere Arbeit, um sie dereinst von ihnen fortführen zu lassen. Bis auf Andeutungen während der zarten Anfänge gab es niemals saxozentrische Töne zu hören. Das hat wohl auch die Entwicklung erleichtert, daß inzwischen oft ein Drittel und mehr Teilnehmer nichtsächsischer Herkunft sind, wobei der Anteil der Rumänen - wegen begrenzter Kontakte, mangelnder Sprachkenntnisse, aber auch wegen sonstiger Kommunikationsprobleme - leider noch nie hoch war.
Hier ist nun Daniel Bein zu erwähnen, den wir bei der Hamburger Jahrestagung des Arbeitskreises 1989 aufgabeln konnten (das Konzept der Einführungsseminare vor den Jahrestagungen ließen wir wegen mäßig guter Erfahrungen in Mainz 1988 und Tübingen 1990 wieder fallen). Daniel öffnete eine weitere Tür zur außersächsischen siebenbürgischen Wissenschaft und brachte durch bewußt kontrovers-konstruktiv vertretene »ungarische« Position neue Perspektiven und ausgezeichnete Referate mit ein. Als Grundsatz bei der Referentensuch galt stets, ein ausgeglichenes Verhältniss zwischen eigenen und auswärtigen Vortragenden zu wahren, dabei die Diskussion mit der Fachwelt bewußt zu suchend. Eine Dokumentation aller Referenten findet sich im Anhang dieses Heftes. Gleichzeitig sollte jedoch auch Anfängern die Chance gegeben werden, ihre ersten Arbeiten in diesem Rahmen ungezwungen zur Diskussion und sich selbst der Kritik zu stellen. Dem gleichen Zweck dienten die »Siebenbürgischen Semesterblätter« über die in diesem Heft ebenfalls ausführlicher berichtet wird.
Durch strenge Sparsamkeit und Wirtschaftsführung, durch die grundsätzlich betriebene Selbstverpflegung in den Tagungshäusern und durch Opferbereitschaft der Mitarbeiter und Teilnehmer war es mit der Zeit möglich, eine gewisse Sicherheit bei der Planung von Veranstaltungen und Publikationen zu erreichen, Arbeitsmaterialien und einen Nachschlagekoffer mit wichtigen Büchern anzulegen. Dennoch hätten die Veranstaltungen ohne öffentliche und private Förderungen nicht in dem Umfang durchgeführt werden können und könnten auch heute nicht so stattfinden. Die erste Ferienakademie unterstützte noch die EKD als Eingliederungsmaßnahme, es folgten bald das Südostdeutsche Kulturwerk, der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, bald auch die DJO-Deutsche Jugend in Europa (mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern) und die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, die DJO Bayern und viele Spender, oftmals ehemalige Referenten oder Abonennten der Semesterblätter. Nach Uwe übernahm die Kasse zunächst Hilke Brenndörfer, dann Karina Kloos. Seit 1989 institutionalisierte sich die administrative Kooperation mit der Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) bei der Ausrichtung der Seminare. Dies blieb keineswegs unwidersprochen, bestand doch eine ausgeprägte Distanz zu politischen Belangen in diesem in jeder, gerade auch in politischer Hinsicht heterogenen Kreis. Die Distanz zur SJD freilich ist heute nicht mehr so deutlich erkennbar, lassen sich doch die Grenzen oftmals kaum mehr ausmachen...
In diesem Zusammenhang sei ein weiterer Wandel erwähnt. Nach dem Wechsel im Kulturreferat der Landsmannschaft 1990 wurde unsere »Konkurrenz« die »Arbeitsgemeinschaft siebenbürgischsächsischer Studenten und Jungakademiker« (ASJ), von der SJD und deren Vorsitzenden weitergeführt. Die zeithistorisch-politische Ausrichtung der ASJ-Tagungen blieb bestehen, sie wurde jedoch zusehens lockerer und offener. Zum Schwerpunkt der letzten Jahre wurde der Umgang mit der eigenen Verhangenheit, wobei durchaus heikle Fragen thematisiert wurden. Andere Kooperationen, wie etwa mit der Banat-JA (Banater Jungakademiker), kamen über erste Gehversuche nicht hinaus: Skepsis beiderseits und der Eindruck elitären Akademikertums uns gegenüber mögen Gründe dafür sein. Ausgezeichnet hingegen gestaltet sich seit Jahren die Zusammenarbeit mit Institutionen in Rumänien und Ungarn, worüber in diesem Heft ebenfalls berichtet wird. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß unsere Veranstaltungen einen gewissen Modellcharakter für ähnliche Vorhaben bei Ostpreußen und Pfälzern und auch in der SJD selbst erlangten.
Nach dem Umbruch in Ostmittel- und Südosteuropa 1989/1990 - einen Teil der Tele-»Revolution« in Rumänien konnten wir von der Ferienakademie aus verfolgen - entstand eine gewisse Aufbruchstrimmung in unserem Kreis, die auf ein vielfältiges Engagement in Siebenbürgen hinzielte, die jedoch im Laufe des Jahres 1990 allmählicher Ernüchterung wich. Die Möglichkeiten besserer Kontaktaufnahme und Reisen in die Region unseres Interesses wurden allerdings ausgiebig genutzt: zunächst durch Hilfsfahrten, sodann durch »Bereisung« von Istituten und Archiven, durch Tagungen vor Ort und schließlich durch die Gründung des Jugendreisevereins »Transylvania Tours e. V.« 1991, einer Schwesterinstitution (oder eher Tochter?) unseres Kreises, seit Anfang an unter Håkans Leitung. Auch diesem Aspekt unserer Arbeit ist ein eigener Beitrag dieses Heftes gewidmet.
Um neue Interessenten zu werben und das während der Heimattage in Dinkelsbühl versammelte Potential zu nutzen, wurden zu Pfingsten 1992 die sogenannten »Schnupperseminare« eingeführt, die Einsteigern Lust an der Beschäftigung mit siebenbürgischer Landeskunde machen sollte, damit gleichzeitig dem an sich gestellten Bildungsauftrag nachkommend. Während dieser letzten Jahre stießen denn auch eine Reihe neuer Leute zum Kreis dazu, etwa Gerald Volkmer oder Johannes Brandsch und Aglaya Strauß, die inzwischen selbst Verantwortung übernehmen und die Arbeit in weiten Teilen bereits fortführen.
Schon seit 1989 bahnte sich in der Beziehung zu unserer Mutterinstitution, dem Arbeitskreis, eine gewisse Krise an: Wir verstanden uns als aktive Mitglieder und waren wohl die aktivste Sektion, aktiver noch als die Naturwissenschaftler. Wir warben beim Vorstand des Arbeitskreises um Anerkennung, die für uns in der vielfach geforderten »kritischen Begleitung« unserer Arbeit sichtbar geworden wäre. Die Resonanz war jedoch für unser Empfinden zu gering, eine Rezeption der Semesterblätter kaum zu vermerken, das Interesse an uns deutlich begrenzt, unter anderem auch - Andeutungen waren unüberhörbar -, weil wir noch keine oder kaum akademische Titel trugen. Es machte sich bei uns der Eindruck breit, als ob der Vorstand mit seinem Kontakt zum kooptierten Vorstandsmitglied aus dem Kreis der Arbeitsgruppe seine Aufgabe als erfüllt ansah, da dieser alles andere weiterzuleiten gehabt hätte. Da wir unseren Kreis selber aber nie als hierarchisch strukturiert empfanden, auch nie einen ausdrücklichen »Chef« hatten, konnte dies auch nicht funktionieren, da wir den breiten Kontakt zwischen den etablierten Fachleuten und dem Nachwuchs des Arbeitskreises suchten. Die Situation, befördert durch den Eifer der Jugend und die völlige Arbeitsüberlastung einiger weniger Aktiver im Vorstand, nahm an Verfahrenheit zu, die Mißstimmung bei uns ebenso. Um die Struktur, die die Diskussion zu erschweren schien, aufzubrechen und gleichzeitig ein Zeichen zu setzen, beschlossen wir die Auflösung unserer Arbeitsgruppe innerhalb des Arbeitskreises, also der Einzahl, um künftig als einzelne Mitglieder, also als eine Vielzahl, im Arbeitskreis präsent zu sein, Kritik zu fordern und uns der Kritik zu stellen. Diese Auflösung wurde während der Mitgliederversammlung im Rahmen der Jahrestagung 1992 in Augsburg durch Stefan verlesen und, beinahe wie befürchtet, von nahezu niemandem verstanden. Jedenfalls versicherten wir ausdrücklich, daß wir uns in keiner Weise gegen den Arbeitskreis stellen wollten, sondern im Sinne einer künftig besseren Kooperation handelten. Mit dem »Makel« der in sächsischen Kreisen wenig bekannten Kritik an der Obrigkeit behaftet, mußten und konnten wir leben. Die Entwicklung seit »Augsburg« scheint uns jedenfalls in unserer damaligen Haltung zu bestätigen, das Verhältnis zum Vorstand und die Diskussion innerhalb des Arbeitskreises entwickelten und entwickeln sich zu beiderseitiger Zufriedenheit. Apropos Vorstand: Noch in Augsburg konnte Martin (damals neben Anita Meschendörfer der einzige, der bereits einen akademischen Vornamen trug) in den Vorstand gewählt werden, drei Jahre später folgten Zsolt Lengyel, Ulrich Andreas Wien (der auf den Platz von Martin aufrückte) und Harald.
Interessant ist, wie rasch sich der Name durchsetzte, den wir uns in Augsburg gaben: »Studium Transylvanicum« Es scheint gar manchem alten Hasen, als hätten wir nie anders gehießen - ein Zeichen dafür, wie gut dieser Name im supranationalen Latein zu diesem Kreis paßt. Es geht diesem Kreis um Siebenbürgen als Idee, als Abstraktum, um die geistige und wissenschaftliche Erfassung und Erforschung eines multiethnischen, multikonfessionellen und multikulturellen historischen Raums, um die Überwindung einseitiger Standpunkte, um die Vermittlung von Kenntnissen über diese Region in Ostmitteleuropa, um die Förderung der wissenschaftlichen, alter Mythen entledigten Diskussion - und wohl auch um die Übergabe einer ursprünglich ethnisch gebundenen Erbschaft an die scientific community.
Harald Roth