Wolkendorf

von Helmut Beer

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15.Oktober 1997)

Lage
Dort, wo die Karpaten in ihrem Verlauf die südöstliche Richtung verlassen und in engem Bogen nach Westen abbiegen, umschließen sie, einer riesigen Wehranlage gleichend, das Burzenland. In dessen südwestlichen Winkel liegt die Gemeinde Wolkendorf. Von welcher Seite immer man sich dem Ort nähert, bilden die nahen Berge eine beeindruckended Kulisse: Im Süden der Butschetsch (2508 m), im Osten der Schuler (1804 m) mit der "Schlafenden Jungfrau", im Norden der Zeidner Berg (1294 m), im Südwesten der Königstein (2240 m), nahe daran die Hohe Koppe (1630 m), "unser Gebirge", im Westen und Nordwesten der Perschaner Höhenzug mit der "Hüpek" (976 m), der markantesten Erhebung auf Wolkendorfer Gebiet.
Ortsname, Hattert
Wolkendorf heißt rumänisch Vulcan, ungarisch Szászvolkány und liegt etwa 606 m ü.M. Der Hattert ist von mittlerer Größe. Äcker und Gärten: 853 ha; Wiesen und Weiden: 1159 ha; Wald: 2156 ha; die Gebirgsweide Koppen: 460 ha; insgesamt 4628 ha.

Geschichtliches

Kirche, Kirchenburg und Friedhof
Eine romanische Kirche wird im 13. Jahrhundert erbaut (Triumphbogen und Grundmauern sind erhalten), im 15. Jahrhundert wird die Kirchenburg mit einer 6 bis 10 Meter hohen Ringmauer umgeben (die Vorratskammern sind auf der Süd-, West- und Nordseite noch erhalten).

Gemeinschaftsbauten
1891: Rathaus und Pfarrhaus; 1892-93: Volksschule (stilvolles Gebäude mit vier Klassenzimmern, einem Turnsaal und Musikzimmer); 1908: neue Gemeindemühle; 1910-11: Erholungsheim in der Obergasse (es wird 1938 von der Kirche erworben und 1939-48 als Waisenhaus genutzt); 1913: Elektrizitätswerk (das Wasser für die Turbinen wird etwa 5 km oberhalb von Wolkendorf aus der Burzen abgezweigt und in einem 2 m dicken Rohr entlang des Höhenzuges in ein Gefälle von etwa 30 m geleitet); 1913: neues Sägewerk; 1914: Gasthaus "Zum grünen Kranz" wird eröffnet; 1927: Schlachthaus; 1930: Freibad. Am 1. Dezember 1940 wird die von sächsischen Baumeistern erbaute rumänische Schule eröffnet. Die Gemeinde besitzt bis 1948 vier Lehrerhöfe. 1962: Das 1942 im Rohbau erbaute Gesellschaftshaus wird von der Landeskirche als Pensionistenheim fertiggestellt.

Vereine, Einrichtungen, Organisationen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es drei Nachbarschaften, 1838-1990 sind es vier. Wolkendorfer Sänger beteiligen sich am 28. Mai 1868 am Gesangsvolksfest im Zeidner Wald. 1869 wird der Leseverein gegründet und ein Jahr später in das Kasino umgewandelt. 1872 gründet Pfarrer Franz Sindel den Turnverein. 1873 besitzt die Bibliothek 176 Jugendbücher, 14 sonstige Bände und 38 Fachbücher für Lehrer. 1881 werden die Mädchen in den Gesangverein aufgenommen, 1883 wird die "Freiwillige Feuerwehr" gegründet, 1884 der evangelische Frauenverein. Die Blaskapelle unter Johann Eiwen nimmt 1886 eine Spitzenstellung im Burzenland ein. Die Wolkendorfer Turner beteiligen sich 1902 am Siebenbürgischen Turnfest in Hermannstadt. 1920 leitet der spätere Rektor Paul Kauth den gemischter Chor (über 50 Mitglieder) und zugleich den Kirchenchor. Im selben Jahr werden der Gewerbeverein und Jagdverein gegründet. Die Blaskapelle unter Martin Thies gehört in den 30er Jahren zu den besten im Burzenland. 1935: Gründung der Maschinengenossenschaft. 1938: Heinrich Preidt und Peter Schabel nehmen am deutschen Turn- und Sportfest in Breslau teil, ein Höhepunkt in der Sportgeschichte Wolkendorfs. 1952 schult der Dirigent und Komponist Rudi Klusch eine neue Blaskapelle ein, die Hans Els 1952-1973 leitet. Albert Schnabel leitet 1969-1990 den Kirchenchor, als Höhepunkt wird zu Ostern 1979 die Johannes-Passion aufgeführt. 1979 Hugo Domokosch gründet eine Blasmusik, die Hans Fröhlich 1980 übernimmt.

Landwirtschaft, Gewerbe, Handel, Wirtschaft
Die Wasserversorgung war schon seit der Ansiedlung unzureichend. Eine Gemeinschaftsarbeit der Wolkendorfer, Zeidner und Heldsdorfer behebt den Mangel 1430-1435: Oberhalb von Wolkendorf wird das Wasser aus der Burzen in den Mühlenbach (Neugraben) abgeleitet.

Bevölkerungsentwicklung

Persönlichkeiten der Gemeinde

Opfer der beiden Weltkriege
Zwei Gedenktafeln in der Kirche erinnern an die 29 Gefallenen des 1. Weltkrieges und die 85 Opfer des 2. Weltkrieges (55 Gefallene und 30 in der Deportation Verstorbene).

Die Heimatgemeinschaft in Deutschland
Die in Deutschland lebenden Wolkendorfer treffen sich zum erstenmal 1950 in Stuttgart. Organisator ist Martin Dreßnandt zunächst allein, später (bis 1970) gemeinsam mit Kurt Zikeli. Dieser führt die Nachbarschaft 1970-1989 und organisiert 1970 eine Spendeaktion (DM 11000) für die Anschaffung der Läuteanlage in Wolkendorf. Viele Wolkendorfer haben um Augsburg, Erlangen, und Tuttlingen Heimat gefunden, wo im Turnus jedes dritte Jahr das Wolkendorfer Treffen abgehalten wird. Beim 1. Wolkendorfer Treffen 1983 in Dinkelsbühl, wird die HOG-Wolkendorf gegründet. Das 2. Treffen findet 1986 in Augsburg statt. Beim 3. Treffen 1989 in Tuttlingen wird Helmut Beer zum Nachbarvater gewählt, der das Amt bis heute innehat. Das 4. Treffen wird 1992 in Fürth, das fünfte 1995 in Tuttlingen abgehalten. Das sechste ist für den 9.-11. September 1998 in Friedberg bei Augsburg geplant.
Das "Wolkendorf Heimatblatt" wird seit 1985 von Helmut Beer herausgegeben. Die Heimatgemeinschaft Wolkendorf hat derzeit 573 Familien-Mitglieder (1481 Personen). In Wolkendorf leben noch 145 evangelische Seelen. Die Gemeinde wird seit 1976 von Pfarrer Klaus Daniel, dem derzeitigen Dechanten des Kronstädter Kirchenbezirkes, betreut.
Nach siebenjähriger Arbeit wird 1990 das Wolkendorfer Heimatbuch (480 Seiten, 166 Bilder; Autoren: Wilhelm Beer, Richard Gober, Helmut Beer) in einer Auflage von tausend Stück herausgegeben. Die Chronik kann noch bei Helmut Beer, Igelweg 6, 22549 Hamburg, für 50.- DM bestellt werden.



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Dokument: ../orte/wolkendorf/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 12.07.98 Dirk Beckesch