I. Viele Siebenbürger interessiert die Frage, aus welchen Gebieten des Reiches ihre Vorfahren nach Siebenbürgen eingewandert sind. Hierzu kann angemerkt werden, daß die Einwanderungszeit für das Altland, das Weinland (um Mediasch), und Unterwald (um Hermannstadt) gesichert ist durch das Zeugnis des Freiheitsbriefes des Königs Andreas II. Von Ungarn aus dem Jahre 1224. Hier ist die Rede von Deutschen (=Sachsen), die vom Großvater des Königs berufen worden seien, dem König Geisa. Das bedeutet daß in der Mitte des 12. Jahrhunderts die Einwanderung der Deutschen nach Siebenbürgen erfolgt ist, wenigstens für ihre ersten Anfänge. Der Name "Sachsen" hat mit dem deutschen Volksstamm nicht zu tun, er wurde einfach im Sinne von "Deutsche" gebraucht.
Das Burzenland geht in seiner deutschen Besiedelung auf eine Berufung des ungarischen Königs Andreas II. zurück, der den Deutschen Ritterorden 1211 in den Südosten berief. Für diese bisher genannten Bereiche deutscher Besiedlung in Siebenbürgen gilt auch eine der Gebieten gemeinsame Sprachgeschichte parallel. Nur das Nösnerland im Norden (Bistritz, Sächsisch-Reen) weicht in seiner Geschichte und Sprache von den Übrigen siebenbürgischen Gebieten ab.
Der Sinn dieser Bemerkungen zur Sprachgeschichte Siebenbürgens ist der, daß man aus der Sprachgeschichte Rückschläge auf die Zeit der Besiedlung ziehen kann, also genauere Angaben erhält, aus welchem Teil die Siebenbürger Sachsen stammen.
Die Bemühungen, die ursprüngliche Heimat der Siebenbürger Sachsen herauszubekommen, haben früh eingesetzt, besonders als man entdeckte, daß zwischen dem Siebenbürgisch-sächsischen und dem mittelfränkischen Rheinischen enge sprachliche Berührungen bestehen. Es wird daher angenommen, daß iele Vorfahrer der Siebenbürger aus dem beiderseitigen Gebiet der Mosel kamen. Sicher haben sich mittelfränkische Mundarten in Siebenbürgen mit andere Mundarten ausgeglichen, wichtig ist aber, daß diese Ausgleichungen doch immer überwiegend im Bereich des Mittelfränkischen (Moselgebiet) bleiben. So findet man auch in Siebenbürgen die durch die 2. Lautverschiebung im Rheinland entstehende Aufsplitterung der Wörter und Laute. So kann man Laute und Wörter in Siebenbürgen entdecken, die in Deutschland sonst nur im mittelfränkischen Raum, besonders aber zu beiden Seiten der Mosel, gebräuchlich waren und sind. Diese Feststellung wird auch nicht durch die Tatsache geändert, daß im Siebenbürgischen auch Worte aus anderen Teilen Deutschlands enthalten sind (z.B. aus Bayern), doch ist die weitaus größte Zahl der vergleichbaren Worte dem Mittelfränkischen entnommen, was auf eine deutliche Parallele in der Sprache zwischen diesem Gebiet und der Siebenbürgens zeigt.(1) Folgende 3 Wörter sollen welche Parallelen aufzeigen, wobei zu bedenken ist, daß dies ältere Begriffe in Siebenbürgen und im Rheinland/Moselgebiet sind, sie also den heutigen Siebenbürgern nicht mehr bekannt sein dürften. So sagte man z.B. sowohl im Rheinland als auch im früheren Siebenbürgen zum Iltis "Fürner", zum Spatz "Mesch" und für das Veredeln von Obstbäumen durch das Aufpfropfen von Ästen "possen". Außer der drei hier genannten Beispielen gibt es noch viele andere, die auf Gemeinsamkeiten der Sprache zu beiden Seiten der Mosel und in Siebenbürgen im 12. Jahrhundert hindeuten; deshalb muß der ursprüngliche Ausgangsort der siebenbürgischen Siedler im mittelfränkischem Rheinland an der Mosel gesucht werden.
Hinzu kamen zu der Hauptmasse der Siedler aus diesem Gebiet noch Siedler aus der Wallonie, aus Flandern, aus Holland und Luxemburg.
II. Scharosch selbst wird schon im Jahre 1206 als Grenzort in einer Schenkungsurkunde König Andreas II. erwähnt; in der gleichen Urkunde werden auch Bekokten, Kiwern, Felmern und der Ort Seligstadt genannt. Dies bedeutet, daß das Siedlungsgebiet des Schenker Stuhls (mit "Stuhl" ist ein Gerichtsstuhl, ein Gerichtsbezirk gemeint) zu dem die genannten Orte gehörten, eines der ältesten von Deutschen besiedelten Gebiete in Siebenbürgen ist. Hier müssen also schon um die Mitte des 12. Jahrhundert Deutsche gewohnt haben.
Der Ortsname Scharosch - so sagen es die Quellen - ist von dem ungarischen Wort "saros" für "morastig", "sumpfig" abgeleitet, wohl als Bachname gemeint.(2) In den Quellen tauchen für das heutige Scharosch auch andere, aber immer sehr ähnliche Namen auf, so z.B. Schars, Schorsch, Saros, Sarus, Soars, Scharosz, Scharesch. Die Quellen (3) betonen daß diese Ableitung vom ungarischen für "morastig", "sumpfig" richtig sei, egal, ob dies die Lokalprobe bestehe oder nicht.
Über die ländliche Größe, Ausdehnung und Besiedlung des Scharoscher Gebiete in früheren Zeiten ist nur wenig bekannt. Zur Einwohnerzahl wird vermeldet daß Scharosch um 1500 nur 38 Bauernhöfe zählte, was einer Einwohnerzahl von rund 300 Personen entspricht. Für die Jahre um 1920/25 nennen die Quellen eine Einwohnerzahl Scharoschs von 791 Siebenbürger Sachsen. Die ständische und soziale Gliederung der Einwohner von Scharosch ist nicht sehr ausgeprägt, was in einer überwiegend bäuerlichen Struktur nicht verwundert. Dennoch gibt es z.B. über die Regelungen für die Abgaben des Kornzehnten, des Habernzehnten, des Hanfzehnten, des Wein- und Kukurutzzehnten verschiedene Regelungen, die eine soziale Schichtung erkennen lassen. So mußten die Bauern zu Scharosch sogar Gebühren für Naturalien zahlen, wenn die verschiedenen Verzehntungen dort durchgeführt wurden. So berichten die Schriften des Korrespondenzblattes aus dem Jahr 1900, daß sogar Unterschiede in Essen für die Kommissionmitglieder am Zahltag gegenüber Schichten gemacht wurden. Dazu heißt es in den Korrespondenzblättern wie folgt:
(1.Kornzehnte)
"Morgens verzehren die Communität
(=evang.
Bruderschaft) und die Geschworenen auf dem Pfarrhofe
2 Brode und 1 Eimer Wein.
Die Geistlichkeit und die Kirchenväter
erhalten
ein gekochtes Essen samt Trank, Mittags
wird für
die Communität und die Stoppel-
reiter aufs Feld geschickt: ein
sogenanntes
Brodelävend, 4 Brode (weisse), ein Eimer
Wein
für die Altschaft (...)"
Eine interessante Sitte der Scharoscher Bevölkerung bestand bei der Weinlese. Hierzu vermelden die Quellen folgendes: "...Besonders an Tage der Weinlese sind die Weingartenhüter stets auf den Füßen; bald sieht man sie hier, bald dort. Wer mit der Weinlese zuletzt fertig wird, und das ist ja natürlich einer der besten Wirte, bringt die Weingartenhüter auf seinem Herbstwagen in die Gemeinde und zu sich, wo sie gut bewirtet werden und während des Schmauses im Hofe des Gastgebers, auch zum Fenster heraus auf die Gasse, manchen Pistolenschuß loslassen, damit man im Dorfe hört, dass die Weinlese beeindigt ist, und wer am meisten gelesen hat."
Weiter ist über die Scharoscher Bevölkerung zu sagen, daß
die Familiennamen - wie sie auch heute noch in Scharosch bekennt sind -
schon im Jahre 1715 aufgezählt werden, wobei sicher zu bedenken ist,
daß diese Aufzählung unvollständig sein kann.(4) Pastor
Orendi vermerkt damals im Jahre 1715 folgende Namen von Familien, die
Abgaben geleistet haben:
Wardeiner | Schreiber | Krempels | Gunesch |
Steffen | Schindler | Heyser | Gottschling |
Schuler | Müller | Ungar | Ehrmann |
Schuster | Graf | Falk | Schneider |
Linzig | Wolf | Walter | Bertlef |
Krause | Kessler | Marten | Jeremie |
Konnerth | Roth | Homm | Welsch. |
Der Kirchenvisitationsbeschluß vom 4. Juli 1715 besagt, daß Scharoscher Bürger nunmehr auch auf der Seite des Friedhofs beerdigt wurden, die der Sonne abgelegen ist. Wer dies von den Lebenden später nach seinem Tode nicht will, mußte dafür zu Lebzeiten eine Gebühr bezahlen, damit er noch auf der schon fast voll belegten Sonnenseite des Friedhofs beerdigt werden kann. Diese Einnahmen buchte der Pfarrer in Scharosch, was (in Auszügen) aus den Materialien der Scharoscher Kirchenrechnung zu lesen ist. Gegen die neue Friedhofsregelung gab es Klagen in der Bevölkerung. So nennt das Korrespondenzblatt von 1889 die "Johann Schneiderinn, weil sie auf der leichen garstig geklaget" und "Krause Wagner, weil er wider die Herren Visitatores einen Zeddel geschreiben". Beide wurden mit Strafgeldern belegt.
Überhaupt scheinen die Scharoscher des öftern gegen die
Obrigkeit gemurrt zu haben, wie die Auszüge aus den Scharoscher
Kirchenrechnung vom Jahre 1713-1782 berichten. Es wurden mit Strafgeldern
bzw. Mit der Abgabe von Speck bestraft:
im Jahr 1740: des Wagners
Sohn für des Schreuen (Schreien) in der Kirche;
im Jahr 1772:
die Kirchenrechnung vermeldet als geldliche Einnahme, daß Strafen
wegen Schmachreden und anderm Unfug gezahlt werden mußten;
im
Jahre 1773: "Johann Krempels Strafe".
Im allgemeinen blieb die Scharoscher Bevölkerung weder von der Pest, noch vom Kriegswirren verschont, wie die Quellen nachweisen: Im Jahre 1719 wird von "der schädlichen Seuche der Pestilenz" berichtet, "welche sich der 3. Mai angefangen und bis ins folgende 1720 bis 22. März angehalten." - Die größere Gefahr für den Bestand des Dorfes Scharosch war jedoch die der Türkeneinfälle, besonders in der Zeit um 1500 und im 17. Jahrhundert. Im Zusammenhang mit den Türkenkriegen muß auch das Gemühen der Scharoscher Einwohner gesehen werden, ihre Kirche als einzige stärker befestigte Anlage in ihrem Ort als Kirchenburg auszubauen. Neben der Pest und den Türken wurde Scharosch auch noch Brandkatastrophen bedroht, so berichten die Quellen, daß im Jahr 1765 ein großer Teil von Scharosch abgebrannt ist. Dabei fanden 23 Männer und Frauen den Tod, ebenso mehrere Kinder.
III. Für das Leben der Menschen in Scharosch hatte in früheren Zeiten die Kirche eine große Bedeutung. Wie ganz Siebenbürgen hatte auch Scharosch durch den Reformator Honterus den evangelischen Glauben in Form des Augsburger Bekenntnisses angenommen.
Die heutige spätgotische Wehrkirche in Scharosch ist aber nicht der erste christliche Kultbau der Gemeinde gewesen, sondern hatte eine romanische Basilika zum Vorgängerbau. Diese Vorgänger-Kirche ist wahrscheinlich im Jahre 1430 durch den 1. Türkeneinfall zerstört worden. In diesem Feldzug plünderten die Türken das ganze Gebiet bis hin zur Kleinen Kokel. Die bösen Erfahrungen, die die Scharoscher während dieses Krieges machen mußten, brachten sie wahrscheinlich dazu, die Kirche nun als Wehrkirche/Kirchenburg neu aufzubauen. Chor und Schiff erhielten schießschartenähnliche Löcher, der Glockenturm wurde befestigt. Für diesen heute noch stehenden Kirchenbau, der zwischen 1438 und 1450 errichtet wurde, berichten die Hilfsaktionen, die den Scharoscher Bauern es erlaubten, die Kirche neu zu bauen. Eine dieser Hilfen war der 1450 von Kardinal Johannes gewährte Ablaß für die Scharoscher Jakobus-Kirche (Übersetzung aus Ablaßschreibens aus dem Lateinischen ist für Interessenten hier einsehbar) von 100 Tagen. Die dadurch erworbenen Gelder sollten dem Neubau gewährt werden. 1466 gab der Kapitelsdechant Johannes von Hermannstadt der Scharoscher Kirche einen weiteren Ablaß von 40 Tagen.
Die neue Kirche wurde so gebaut, daß die Westfront geschlossen blieb, da von dieser Seite die schweren Unwetter heraufzogen. Insgesamt erlebte die Scharoscher Kirche 3 Bauperioden, wobei allerdings die 1. die eigentliche Bauzeit darstellt, die beiden anderen nur der Erneuerung und teilweise Veränderung dienten. So erhielt der Chor im Jahre 1885 statt seines alten Gewölbes ein modernes Holzgewölbe mit 7 Stichkappen, das schilfartig mit Gips verputzt, einem sternartigen Gewölbe ähnlich sieht. Zu den Besonderheiten der Scharoscher Kirche gehört der Lettner, den es sonst in Kirchen in Siebenbürgen wenig gab. In der alten katholischen Kirche war der Lettner eine die Chorschranken ersetzende Scheidewand, mit mehreren Durchlässen zwischen Chor und Schiff und bildete oben eine über Treppen zugängliche Bühne, auf der kirchliche Lesungen stattfanden. Die baulichen Stützen, die den Lettner trugen, sind heute in der Kirche in den Resten noch erkennbar. - Der in Weiss-Grün-Gold bestrichenen Barockaltar im Chor schmückt eine Kreuzigungsszene, die 1745 vom Hermannstädter Maler Martin Stock unterzeichnet ist.
Nach dem erneuten Türkeneinfall von 1493 setzte sich der Hermannstädter Stuhl für den verstärkten Ausbau der Scharoscher Kirche zu einem Wehrbau ein. Er gewährte der Kirche in Scharosch einen Steuernachlaß von 12 Gulden für die Kirchenburg. Diese Maßnahmen führten dann zu einem wehrhaften Ausbau der Kirche, der aber eigentlich ständig fortlaufend blieb, sodaß erst 1900 der Kirchenbau beendet war, in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts aber nochmals restauriert wurde.
Erwähnenswert zur Scharoscher Kirche ist noch, daß um das Jahr 1500 die hölzernen Wehrgänge der Kirche durch gemauerte aus Stein ersetzt wurden, da sie nach der Verbreitung der Feuerwaffen als Holzmaterial eine akute Brandgefahr darstellten. Das Turmraumgeschoß weist eine besondere Eigentümlichkeit der Scharoscher Kirche auf. Dieser Raum im untern Turm kann heute nur von der Kirche aus betreten werden. Man kann im Turmraum jedoch beobachten, daß die Nord- und Südwand vermauerte spätgotische Bögen hatte, durch diese konnte das Erdgeschoß des Turmes von außen früher betreten werden. Aus diesen Beobachtungen heraus wäre zu schließen daß hier eine ursprünglich turmlose gotische Kirche mit einer Westportal vorhanden war, an deren Ende der spätere - heute noch sichtbare - Turm angebaut wurde.
Das Gesamtbild der Scharoscher Kirche - so wie es sich heute dem
Betrachter zeigt - weist allerdings von der ehemaligen Wehrkirche nicht
mehr viel auf, da die Wehrmauer, die die ganze Kirche umgab, um das Jahr
1800 von der Scharoscher Gemeinde abgebrochen wurde.
Quellen:
(1) Schulz, G. Eberhard. Leistung und Schicksal. Abhandlungen und
Berichte über die Deutschen im Osten, 1967.
(2) Schreiner,
.... Ortsnamen im mittleren Teile des südlichen Siebenbürgens.
(3) Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde, NF, 2.
Bd., 1924
(4) Korrespondenzblatt des Vereins für Siebenbürgische
Landeskunde. XII. Jahrgang, 1889