Rothbach

von Gerhard Thiess

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15. November 1997)

Lage und geschichtlicher Überblick
Rothbach liegt am Alt, 20 Kilometer von Kronstadt entfernt, an der Landstraße und Eisenbahnlinie, die nach Schäßburg führen. Sächsisch heißt der Ort Roiderbrich, ungarisch Vörösmart, rumänisch Rotbav. Rothbach gehört zum Burzenland und wurde, wie auch die anderen Ortschaften um Kronstadt, etwas später besiedelt als das "Alte Land" um Hermannstadt.

Wie Urkunden der Kirchengemeinde Rothbach belegen, ließen sich ursprünglich etwa 20 sächsische Familien anderthalb Kilomter westlich des heutigen Ortskerns in einer Mulde, neben dem Bach (an der "Roiderbrich"), nieder. Kurz darauf sollen sie von Banden überfallen worden sein, wobei mehrere Bewohner verwundet wurden. Beim Waschen ihrer Kleider färbte sich das Wasser im Bach rot. Daraus wurde dann der "Rote Bach", den die Ungarn "Vörösmart" (d.h. "Rotes Ufer") nannten.

Da der Standort der Siedlung nicht günstig war, verlegten die Bewohner ihren Wohnsitz weiter östlich an die Straße, die nach Nußbach und durch den Geisterwald führt. 1250 begannen die Rothbacher eine Kirche im romanischen Stil zu bauen, der im Laufe der Jahrhunderte durch gotische und barocke Elemente bereichert wurde. Der Turm weist auch heute noch gotische Stilelemente auf.

Um das Jahr 1300 lebten in Rothbach bereits 70 Familien. Sie errichteten eine Verteidigungsanlage um die Kirche. Die Kirchenburg bot Platz für Vorratskammern, Werkstätten, Stallungen, eine Gemeindeküche, einen Bienenstand mit Körben u.a. Der Haupteingang lag an der Straße, gesichert durch den Torturm. Unter dem Turm befand sich die sogenannte Schreibstube, deren Keller als Gefängnis diente. Die Einzelzelle ist auch heute noch zu sehen. Die Burg mit Ringmauern wurde nach einer Bauzeit von 50 Jahren fertiggestellt. Wie schwer der Bau vonstatten ging, zeigt eine Bestimmung, wonach alle, die heiraten wollten, ohne fremde Hilfe innerhalb einer festgelegten Frist Bausteine aus dem Wald herbeibringen mußten. Wer das nicht schaffte, mußte mit der Heirat bis zum nächsten Jahr warten. 1350 wurde der Bau der Kirchenburg beendet.

Rothbach wird 1371 erstmals urkundlich unter dem Namen Ruffa ripp, d.h. "rotes Ufer", erwähnt. In den Urkunden taucht der ungarische Namen Weresmorth auf, was ebenfalls "rotes Ufer" bedeutet, die deutsche Namensform Roderbach ist erstmals 1427 belegt.

An der Spitze des Ortes standen der Pfarrer, der Richter und zwei Geschworene (Borger). Sie hatten das Oberkommando auch bei Angriffen von außen. Um die Burg war ein Wassergraben angelegt, und wenn die Feinde den Graben überschritten, wurden sie mit Bienenkörben abgeschreckt.

Rothbach wurde oft von Türken, Tataren und ungarischen Fürsten bedroht. Die Türken brannten den Ort 1438 und 1464 nieder. 1602 belagerte der ungarische Fürst Basta die Burg, konnte sie zunächst nicht einnehmen und verbündete sich dann mit Radu Serban. Dabei wurde Rothbach erneut niedergebrannt. Das Feuer breitete sich rasch im Dorf aus, da die Häuser mit Stroh gedeckt waren. Die Burg wurde repariert, einer der beiden Türme abgetragen und das bisherige Eingangstor zugemauert. Ein neues Eingangstor entstand an der Stelle, wo es auch heute zu sehen ist. Der zweite Turm befand sich über dem alten, zugemauerten Eingangstor und wurde zum Kirchturm ausgebaut, wobei dem Wehrturm eine hohe Spitze aufgesetzt wurde.

Das ganze Dorf samt Kirche und Turm brannte 1732 wieder ab. 1738 entstand die Kirche so, wie sie heute noch steht: das Gestühl, die Empore und Wendeltreppe. Als besondere Sehenswürdigkeit der Kirche ist der aus Stein gehauener Predigtstuhl in der Saalkirche zu nennen. Der hölzerne Fußboden der Kirche hat sich stellenweise abgesenkt, weil sich darunter Begräbnisstätten befinden, die bis 1708 in der Kirche untergebracht waren. In jenem Jahr wurde der neue Friedhof angelegt. 1908 wurden eine Kirchenorgel aus Pecs und eine Turmuhr aus Leipzig installiert. Im Turm hängen drei Glocken.

Vor der Kircheneingangstür erkennt der aufmerksame Besucher drei Ringe, die am Türbalken eingemeißelt sind. Unter dieses Zeichen, "Vater, Sohn und der Heilige Geist", hatten unsere Vorfahren als strenggläubige Katholiken ihr Leben gestellt, nach der Reformation wurden die drei Ringe auch als "Glaube, Liebe, Hoffnung" gedeutet. Sie sind übrigens auch im Wappen Rothbachs zu sehen.

Bis zur Enteignung nach 1945 gab es in Rothbach Landwirte sowie im Bereich des Gewerbes Tischler, Wagner, Zimmerer, Maurer, Schuhmacher, Sattler, Schneider, Friseure, Maler, Metzger, Schlosser, Schmiede, zwei Mühlen und drei Gaststätten. 1942 zählte der Ort 469 Sachsen. 1986 waren es noch 251. Im Ersten Weltkrieg starben 21, im Zweiten Weltkrieg 33 und durch die Verschleppung in die Sowjetunion neun Männer. Viele Kriegsgefangene und in die Sowjetunion Deportierte kehrten nicht nach Siebenbürgen zurück, sondern kamen nach Deutschland. In den Nachkriegsjahren erfolgte die zunehmende Auswanderung, die nach der Wende von 1989 sprunghaft anstieg. Heute leben noch 28 evangelische Seelen in Rothbach.

Die HOG in Deutschland
Die HOG Rothbach, die Nachbarschaft der Rothbacher in Deutschland, wurde 1984 von Hans Roth und Gerhard Thiess im Gasthaus "Roter Hahn" in Dinkelsbühl gegründet. Ihr Ziel ist es, den Zusammenhalt und die Verbundenheit aller Rothbacher zu erhalten. Der erste Heimatbrief wurde im Dezember 1988 an alle beitragzahlenden Mitglieder verschickt.

Schon in den Jahren des kommunistischen Regimes in Rumänien hat sich die HOG Rothbach für die Hilfe der Landsleute im Heimatort eingesetzt. Spenden und Beiträge ermöglichten viele Pakete, die über das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen befördert wurden. Hans Roth ist oft selbst nach Rothbach gefahren, um Pakete zu verteilen.

Seit der Gründung der HOG war Gerhard Thiess als Schriftführer tätig, jetzt ist er Vorsitzender der Nachbarschaft und verantwortlich für den Heimatbrief. Die Heimatortsgemeinschaft hat rund 120 Mitglieder, die den Beitrag zahlen und die jedes Jahr im Dezember den Heimatbrief erhalten. Das Rothbacher Treffen findet jedes zweite Jahr statt und wird durch Spenden finanziert.

Rothbach hat keinen Pfarrer mehr, der Gottesdienst wird von Seelsorgern aus anderen Gemeinden versehen. Ansprechpartner in der Heimatgemeinde ist Ernst Michael Hitsch. Die Turmuhr hält Erwin Schall instand. Personen, die in Rothbach Kirchensteuern zahlen, und die Friedhofspflege werden von unserer Heimatortsgemeinschaft unterstützt bzw. finanziert. Die HOG-Mitglieder leisten einen jährlichen Beitrag von 10 DM, zuzüglich 5 DM für die Friedhofspflege.



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Dokument: ../orte/rothbach/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 19.07.98 Dirk Beckesch