Historischer Rückblick
Neustadt, sächsisch
Noscht, rumänisch Cristian, ungarisch Kersztényfalu,
gehört zu den Gemeinden, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts
entstanden sind. Erstmalig wird der Ort 1362 als "Kerszténfalu"
(Christiansdorf) in einem Brief von König Ludwig dem Großen erwähnt,
fünf Jahre später, 1367, als "villa Cristiani"; 1377
erscheint es unter dem Namen "Nova Civitas".
Neustadt liegt 7 km von Kronstadt und 3 km von Rosenau entfernt an beiden Ufern des Weidenbaches und der Hauptstraße, die nach Zarnesti und über den Törzburger Paß ins Altland führt.
Kirchenburg und Kirche
Den Mittelpunkt der Gemeinde
bildete die alte Nikolauskirche, eine Pfeilerbasilika, die um das Jahr
1270 errichtet wurde, wonach heute noch die "Steinrose" und das
darunterstehende "Rundbogenportal" zeugt. Ein ähnliches
Rosenfenster gibt es nur noch im Dom zu Basel und in der Marienkirche in
Gelhausen.
Wie alle Ortschaften im Burzenland, litt die Bevölkerung Neustadts jahrhundertelang schwer unter den Einfällen der Mongolen, Türken, Tataren und Walachen. Später kamen noch Szekler, Ungarn und Österreicher hinzu, die diesen Landstrich zum Kriegsschauplatz machten.
Im 15.-16. Jahrhundert wurde die ovale Kirchenburg erbaut, die vielen Stürmen standhielt. Sie wurde im 15.-16. Jahrhundert aus Bruchstein errichtet, hatte neun Wehrtürme und eine doppelte Ringmauer, die als Schutz um die Kirche stand. Außer einem Turm und einem Teil der Ringmauer ist die Kirchenburg bis heute erhalten geblieben.
Die gesamte Burg war von einem Wassergraben umgeben, der vom vorbeifließenden Weidenbach gespeist wurde. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Graben zugeschüttet. Darauf wurde 1792 der neue Friedhof angelegt.
1839 wurde die alte Nikolauskirche abgerissen und 1848 die neue Kirche, eine mit Empore versehene moderne Hallenkirche eingeweiht. Sie wurde im neoklassizistischen Stil erbaut. Im Innern, rechts und links des Hauptschiffes, stehen Rundbogenarkaden. An das Mittelschiff angeschlossen befindet sich der erhöhte Altarraum, der mit einer kuppelförmigen Decke versehen ist. Hier steht der Altartisch mit einer großen Christusfigur dahinter, unter einem von vier Säulen getragenen Rundbogen. Rechts und links vom Altar befinden sich vier farbige Fenster, die Honterus, Luther, Petrus und Paulus gewidmet sind.
Die Bevölkerung
Die Bevölkerung Neustadts war
wie in allen ländlichen Gemeinden vom Bauerntum geprägt. Erst
1945, nach der Enteignung des Bodens und der Immobilien, waren viele
gezwungen, Industriearbeiter zu werden. Von den Kindern, die nach 1945
geboren wurden, ist kaum jemand in der Landwirtschaft untergekommen. Bis
zur Mitte des 20. Jahrhunderts bildete die deutsche Bevölkerung stets
die Mehrheit, was sich nach 1945 sehr rasch änderte.
Bevölkerungsstatistik
Jahr | Gesamt | Deutsche | Rumänen | Ungarn | Andere |
---|---|---|---|---|---|
1510 | 494 | ||||
1875 | 2308 | 1447 | 722 | 69 | 70 |
1930 | 2873 | 1555 | 1138 | 180 | ?? |
1992 | ca. 6500 | ca. 150 | ca. 5500 | ca. 20 | ca. 25 |
Neustadt gehörte immer zu den führenden Gemeinden im Burzenland. Das gutorganisierte Gemeinwesen, der Zusammenhalt der Gemeinschaft, die sich eng um die Kirche scharte, stützten sich auf strenge Sitten und Bräuche, Fleiß und Disziplin.
Da die alte Wassermühle (aus dem 14. Jahrhundert) nicht mehr ausreichte, wurde 1786 eine zweite Wassermühle am Rande der Gemeinde gebaut. 1855 wurde die "Spiritusfabrik" der Brüder Czell errichtet und 1860 das große Gasthaus "Zur Eisenbahn". 1863 entstand am Westrand der Gemeinde die Kaserne, und 1877 hatte Neustadt schon mehrere eigene dampfgetriebene Dreschmaschinen.
Schulunterricht und Schulmeister gab es laut Urkunden schon um 1510 und später auch ein Schulgebäude. Dieses wurde, da es zu klein, in den Jahren 1875/76 abgerissen und 1877/79 ein neues großes Gebäude errichtet.
Schon 1909 gab es eine Wasserleitung. Zu Neujahr 1911/12 brannten die ersten elektrischen Glühbirnen in den Häusern. 1921 baute die Gemeinde ein Sägewerk am Mühlkanal. 1927 wurde das große "Gesellschaftshaus" eingeweiht. Zwei Jahre später entstand auf dem Marktplatz das neue Rathaus und ebendort 1937 der neue deutsche Kindergarten.
Schon der Erste Weltkrieg forderte das Leben von 50 Männern aus Neustadt. Der zweite Krieg und die Verschleppung nach dem Krieg rissen große Löcher in die Familien der Gemeinde: Von den 140 eingezogenen Männern blieben 72% im Feld; von den 279 Verschleppten überlebten 14% die Strapazen nicht.
Viele Heimkehrer aus der Gefangenschaft oder der Verschleppung blieben in Deutschland. Dieses hatte die ersten Auswanderungen zur Folge. Die Zahl der Ausreisewilligen stieg ständig. Nach 1989, dem Ende der Diktatur, haben die meisten Sachsen die Gemeinde verlassen und sich in Deutschland angesiedelt. Heute zählt Neustadt 149 evangelische Kirchenglieder.
Persönlichkeiten
Über die Grenzen hinaus wurde
der Maler, Zeichner und Zeichenlehrer Heinrich Schunn (1897-1984) bekannt.
Seine Bilder zieren viele sächsische und deutsche Wohnungen. 1948
erhielt er die "Arbeitsmedaille" in Rumänien und 1972 den "Kulturpreis
der Siebenbürger Sachsen in Deutschland". Wegen langjähriger
Verdienste und außerordentlichen Leistungen auf sozialem und
politischem Gebiet wurden drei Neustädter mit dem
Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet: 1979 Walter Stefes, 1993 Hans
Schuller und 1994 Andreas Porr.
Treffen, Gründung der Nachbarschaft, Neustädter
Nachrichten
Im Oktober 1946 kam es zum ersten Treffen der Neustädter
in München, wo 17 Landsleute anwesend waren. Im nächsten Jahr
kamen 20 zusammen.
1956 wurde die Neustädter Nachbarschaft in Deutschland gegründet und 1957 die 1927 gegründeten "Neustädter Nachrichten" neu herausgegeben. Weihnachten 1995 erschien die Nr. 155 in Deutschland. Zusammengestellt und vervielfältigt wurde das Nachrichtenblatt bis 1981 von Friedrich Schmidts, nach seinem Tod bis heute vom Ehepaar Gretel und Hans Schuller.
Seit der Gründung der Nachbarschaft stieg deren Mitgliederzahl um ein Vielfaches. Jährlich trifft man sich in Dinkelsbühl und alle drei Jahre findet ein großes Treffen auf Bundesebene statt.
Aus unserer Neustädter Nachbarschaft wurde die "Heimatortsgemeinschaft der Neustädter".
Um den Nachkommen die alte Heimat in Erinnerung zu bringen, wurden Fotoalben zusammengestellt, die alte Aufnahmen aus dem Leben in Neustadt beinhalten, ebenso ein Album mit allen Konfirmationen sowie den im 2. Weltkrieg Gefallenen und während der Verschleppung nach Rußland Verstorbenen. Ein Gedichtband aus dem Nachlaß der gebürtigen Neustädterin Martha Galter wurde ebenfalls herausgegeben. Ebenso erschien eine Festbroschüre zur 100jährigen Wiederkehr des Baus des deutschen Schulgebäudes in Neustadt. In Kürze erscheint ein Bildband mit einem historischen Überblick "Neustadt im Burzenland" sowie ein Heimatbuch über Neustadt, das sich in Arbeit befindet. Sehr intensiv wird auch Familienforschung betrieben.
Verbindungen zu Neustadt
Die Verbindung zur Heimat ist nie
abgerissen. Regelmäßig, auch in der schweren Zeit, wurden
Paket- und Geschenksendungen organisiert. Dank der Spendenfreudigkeit der
Neustädter wurde ein Läutewerk für die Kirchturmglocken
nach Neustadt geschickt, ebenso wurde die Farbe für einen neuen
Anstrich der Kirche bereitgestellt.
Die Treffen, das Nachrichtenblatt, die Verbindung zur Heimat usw. verdanken wir den Nachbarvätern Thomas Dick, Fritz Lukesch, Helmut Schmidts, Andreas Porr, Werner Zerelles und nicht zuletzt dem noch amtierenden Martin Bartesch, samt dem HOG-Vorstand, der Redaktion der "Neustädter Nachrichten" und den vielen freiwilligen Helfern.
Im Sommer 1996 stehen Neuwahlen an, wobei die Leitung der HOG Neustadt in die Hände junger, dynamischer Neustädter gelegt werden soll. An ihnen wird es liegen, wie lange die HOG bestehen wird.