Geschichtlicher Überblick
Leschkirch, 1349 erstmals urkundlich erwähnt, leitet sich vom
moselfränkischen Lesch (G. Kisch: Schilf) ab, Kisch führt auch das
slawische Wort Ijes (Sumpf, Wald) an. Älter ist der Ortsname Nogrech
(1263) und bedeutet in sächsischer Mundart de no Kirch, was 1402 und 1416 in
lateinischer (Noua Ecclessia/e) und ungarischer Übersetzung (Ujegyház) in
Urkunden angeführt wird. Der rumänische Ortsname Nocrich ist die
lautliche Übernahme dieses Wortes.
Unter König Geysa II. (1142-1162) siedelten sich die ersten "Theutonici" (Deutschen) zwischen Zibin, Alt und Harbach an, das sind die Kapitel Hermannstadt, Leschkirch und Schenk (Hermannstädter Probstei). Der Siedlungskern Leschkirchs bestand aus neun Höfen auf der zum Berg gelegenen Zeile der Obergasse (ca. 45 Personen); bis 1200 wurden weitere 17 Hofstellen (ca. 85 Personen) auf der Bergseite der Niedergasse angesiedelt. In den folgenden Jahrhunderten waren zahlreiche Mord- und Raubüberfälle zu verzeichnen: durch die Mongolen (1241/42), Türken im 15. und 17. Jahrhundert (vor allem 1432, 1438, 1493 und 1658), die muntenischen Woiwoden Vlad Dracul 1456 und durch Michael den Tapferen 1600, im selben Jahr durch die Basta'ischen Wallonen, 1610 durch den eigenen Fürst Gabriel Báthori und 1705 durch die Kuruzzen.
Deutsche Einwohner: 1488 - 35 Wirte (ca. 160 Seelen), 1532 - 190 Sachsen, 1695 - 160 Sachsen (Rumänen und andere waren keine angesiedelt), 1765 - 554 Sachsen (Zahl sonstiger Bewohner unbekannt). 1855 - 536 Sachsen und 408 Nichtsachsen, 1880 - 566 Deutsche bzw. 419 andere, 1910 - 639 Sachsen und 604 Nichtsachsen, 1920 - 718 Sachsen bzw. 546 Andersnationale, 1940 - 810 Deutsche (Zahl der Nichtdeutschen liegt uns nicht vor).
Dreischiffige, turmlose, romanische Basilika (Kirche) aus Stein vor 1241; erste Wehrmauer mit fünf Wehrtürmen und einem Glockenturm um 1500; Bau des Zwingers (Vorburg) Anfang des 17. Jahrhunderts; Ausbau der Wehrburg (Wohn- und Lagerräume, Rathaus, Schule, Schuppen, Gefängnis) nach 1710; Abtragung der Wehrmauer und zum Teil der Türme sowie Bau des Bezirksgebäudes (heute Schule) 1901-1903; Erinnerungsmal für Michael Brekner; Reformation 1544; erster evangelischer Pfarrer: Nicolaus Schespurger 1561; letzter evangelischer Pfarrer: Walter Schneider (1979-1990). Bau der orthodoxen Kirche 1832. Eine Schule bestand im 14. Jahrhundert, einen Schulmeister gab es 1488; Hauptvolksschule (Lateinschule) Anfang des 18. Jahrhunderts bis 1906; "alte Schule" am Marktplatz nach 1859 abgetragen; Bau der neuen Schule 1856-1859.
Zwei Jahrmärkte und ein Wochenmarkt ab 1589 (ein dritter ab 1869); Bau der Straße Hermannstadt - Leschkirch - Agnetheln - Großschenk - Voila 1852-1858, "Postexpedition" mit täglichem "Kariolen"-Verkehr nach Hermannstadt und Agnetheln 1858; erste Mühle mit Dampfantrieb 1871-1873; Anlegen von Röstgruben und Verbot des Hanfröstens im Harbach 1895 (Umweltbewußtsein!); Kommassation 1897; Schmalspurbahn im Harbachtal 1910; Bau des evangelischen Gemeindesaales 1927-1930; Ambulatorium mit Entbindungsheim und öffentlicher Badestube 1948; landwirtschaftlicher Staatsbetrieb 1949; LPG 1950 (1952 treten die ersten 23 sächsischen Familien in die Genossenschaft ein); elektrischer Stromanschluß 1953; Bäckerei 1954; Dorffunk 1955; Quellenfassung und Wassernetzleitung 1970; zwei Wohnblocks mit je acht Appartements 1974, 1977; Asphaltierung der Landkreisstraße 1970-1971; Teppichknüpferei "Arta Sibiului" für 20 Frauen 1979.
Der erste namentlich bekannte "Stuhls-Chirurgus" (Kreis-Wundarzt): Heinrich Gottlieb Mühlstephen (gestorben vor 1782); der erste "Stuhls-Physikus" (Kreisarzt) J. Chr. Gottlieb Baumgarten (1765-1843), Doktor der Philosophie und Medizin, Forscher und Verfasser wissenschaftlicher Werke (1794-1801); erste Apotheke 1835 (oder 1836) bis 1844 und dann wieder ab 1874.
Der größte Staatsmann der Siebenbürger Sachsen, Samuel von Brukenthal (1721-1803), ist ein Sohn des königlichen freien Marktes Leschkirch; seine Vorfahren sowie sein Bruder und Neffe standen im Leschkircher Stuhldienst. Aus der Familie Kiszling - seit 1414 urkundlich belegt - standen viele im Dienste des Ortes oder Stuhles (5 Königsrichter), der Sächsischen Nation und des Habsburgerreiches (Offiziere, Beamte). Aus der alten Conrad-Familie trat Franz Conrad (1797-1846), Hofagent in Wien, hervor. Er war ein Freund Stephan Ludwig Roths (1796-1849), den er 1845 drängte, in Württemberg fortschrittliche Bauern anzuwerben. Ferner hatte er den Vorsitz bei der Vorbesprechung in Kronstadt 1843 inne, die zur Gründung des Landwirtschaftsvereins (1845) führen sollte.
Persönlichkeiten, die nicht in Leschkirch geboren, aber dort und in der Umgebung gewirkt haben: D. Friedrich Müller (1828-1915), Bischof, 1869-1874 Pfarrer in Leschkirch; Friedrich Walbaum (1864-1931), Komes der Sachsen, Obergespan des Hermannstädter Komitates, Landeskirchenkurator, 1887-1893 Bezirksvorsteher; Guido von Putkowski (1858-1938), 1907-1919 Bezirksvorsteher, Vorsitzender des Leschkircher landwirtschaftlichen Bezirksvereins.
Haupterwerbszweige: Ackerbau (Kartoffeln), Viehzucht (Mastvieh) und Obstbau. Acht Zünfte (Schuster, Schneider, Faßbinder, Schmiede, Wagner, Kürschner, Seiler und Riemer). Vereine: Gesangverein "Leschkircher Liedertafel" 1860; Gustav-Adolf-Verein 1862; Leschkircher Lehrer-Zweig-Verein 1870; Adjuvanten (Bläserchor) 1880; Evangelischer Ortsfrauenverein 1884; Raiffeisenverein und landwirtschaftlicher Ortsverein 1885; landwirtschaftlicher Bezirksverein und Freiwillige Feuerwehr 1886; Hagelversicherungsgesellschaft 1893; Bodenschutzverein 1911; Konsumverein 1920.
Im Ersten Weltkrieg wurden 102 Sachsen eingezogen (21 Gefallene), im Zweiten Weltkrieg 147 (49 Gefallene und Vermißte); 151 Deutsche wurden in die Sowjetunion deportiert (vier starben dort). Evangelische Gemeindemitglieder: Ende 1987: 408 Seelen; 1988: 394 Seelen; 1989: 354 Seelen; massive Aussiedlung nach 1989; 1990: 110 und 1992: nur noch 5 Seelen.
Heimatortstreffen - Heimatortsgemeinschaft
Die nach dem Kriegsende verstreut in Deutschland und Österreich lebenden Landsleute
versuchten sehr bald, Kontakt miteinander aufzunehmen und sich gegenseitig zu helfen. Die
Unterhaltung war dabei kein Gegenstand, es sei denn bei Trauungen oder Taufen. Erst nach dem
Abschluß einer Lehre oder Umschulung, also nachdem sie einen festen Arbeitsplatz hatten
und eventuell ihre Familien zusammengeführt hatten, intensivierten sich die
Zusammenkünfte. Die Verbindung zu den Landsleuten in der alten Heimat blieb bei den
meisten intakt, ab der sechziger Jahre waren auch Besuche nach Siebenbürgen
möglich. Recht spät rafften sich unsere - schwerfälligen - Leschkircher 1986
zu einem Treffen zusammen, und dies dank des Einsatzes des nachmaligen Vorsitzenden der
HOG, Walter Ekkardt (Bayreuth). Danach jedes zweite Jahr Heimatortstreffen. Seit 1990 wird
durch jährliche Mitgliedsbeiträge ein Heimatblatt herausgegeben; geschichtliche
Themen werden in den "Leschkircher Heften" (7 Folgen) veröffentlicht. Die
Familienforschung auf konventionellem Wege ist fortgeschritten und hat erste Früchte
getragen. Der Gesangverein "Leschkircher Liedertafel", 1986 neuerstanden, 1991 mit
der Zelter-Plakette ausgezeichnet, hält regelmäßige Chorseminare ab und gibt
Konzerte.
Die evangelische Friedenskirchengemeinde Bergkamen/Westfalen übernahm 1986 die Patenschaft über die Restgemeinde in Leschkirch und brachte, trotz Schikanen der kommunistischen Behörden, Hilfsgüter dorthin. Höhepunkt der Patenschaft war die Einladung der ehemaligen Presbyter und der "Leschkircher Liedertafel" im Oktober 1992 nach Bergkamen, wo es zu einem Gedankenaustausch von Mensch zu Mensch kam. Den lieben westfälischen Schwestern und Brüdern sei auch von dieser Stelle für das menschliche Entgegenkommen gedankt! Leider scheinen immer mehr HOG-Mitglieder von Gleichgültigkeit befallen zu sein; die Mitgliederzahl nimmt dadurch ab, und manche Aufgabe findet keine Umsetzung. Ob das nur ein Leschkircher Phänomen ist?
Kontaktadresse: Michael Edling, Kernerweg 8, 73760 Ostfildern