Keisd

von Michael Hamlescher

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15. Dezember 1996)

Die Marktgemeinde Keisd liegt etwa 650 Meter über dem Meeresspiegel, 20 Kilometer von Schäßburg entfernt, an der Landstraße in Richtung Kronstadt. Sie liegt an dem mittleren Lauf des Saubachs, der, von Radeln kommend, durch Bodendorf, Deutschkreuz und Keisd fließt und bei Teufelsdorf in die Große Kokel mündet.

Der Ortsname Keisd, rumänisch Saschiz, ungarisch Szászkézd ist magyarischen Ursprungs (Gustav Kisch) und kommt von "Kez" = Hand, für den Begriff Schutz oder Burg. Im Ortsnamenbuch für Siebenbürgen sind noch folgende Namen angeführt: lateinisch Kyzd, Kaysdy, Zaazkyzd, deutsch Keisd, Kaizd, Kaisd, rumänisch Chizduc Sasesc.

Die Marktgemeinde Keisd mit der Keisder Burg ist offensichtlich der älteste Sitz des politischen und kirchlichen Zusammenschlusses der sächsischen Ansiedler im umliegenden Gebiet gewesen, bis später Schäßburg das Übergewicht erlangte und nach Anerkennung als Stadt Sitz dieser Einrichtungen wurde. Sowohl der spätere Schäßburger Stuhl als auch das Landkapitel und das Dekanat wurden zuerst nach "Kisd" benannt (Ernst Wagner). Zum Kisder Landkapitel gehörten 24 Kirchengemeinden, einschließlich Schäßburg.

Die Sachsen besiedelten Keisd nach der Umsiedlung der dort lebenden Szekler Grenzwächter (1200-1223 bzw. 1264-1289). Der Ort wird in zahlreichen Urkunden erwähnt. Im folgenden ein kurzer chronologischer Überblick aus dem Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen (UB).

Bevölkerung - Bei der ältesten Volkszählung von 1488 werden in Keisd 209 Wirte, 2 Mühlen, 7 Hauswirte ohne eigene Hofstelle und 8 Hirten gezählt. Im 15. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung, im 17. Jahrhundert nahm sie durch Krieg und wiederholte Seuchen wieder ab. Im 18. Jahrhundert wird ein Zuwachs verzeichnet, um 1900 folgt eine Stagnation, da einige Sachsen vor allem nach Amerika auswanderten. 1910 lebten 265 Keisder im Ausland.
Die evangelische Seelenzahl in Keisd:
1765 - 1008 Seelen
1883 - 1285 Seelen
1922 - 1351 Seelen
1941 - 1186 Sachsen bei 851 Rumänen, 35 Ungarn und 54 Sonstigen
1966 - 1103 evangelische Seelen
1978 - 1015 Seelen
1984 - bloß 841
1995 - nur noch 70 Seelen.

1914-1918 wurden in den Ersten Weltkrieg 177 Männer eingezogen, von denen 37 an der Front fielen. Im Zweiten Weltkrieg fielen von 250 eingezogenen Männer 53; 60 verblieben auswärts.

Im Januar 1945 wurden 220 Männer und Frauen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, von denen 23 meist an Typhus starben.

Das Schulwesen - Bereits 1481 wird ein Schulmeister in Keisd erwähnt. Daß Keisd schon damals ein entwickeltes Schulwesen hatte, ist auch daraus ersichtlich, daß es in der Keisder-Burg einen Schulturm gab, so daß der Unterricht auch in Zeiten der Belagerungen fortgeführt wurde. Petrus des Kyst wird 1429 als erster Keisder Student an der Universität Wien immatrikuliert; bis 1505 besuchten weitere neun Keisder die gleiche Universität.

Das Gemeinschaftswesen - Keisd war in neun Nachbarschaften aufgeteilt, die je 18 bis 50 Höfe umfaßten. Zudem gab es die Bruder- und Schwesternschaften und den Frauenverein. Eine wichtige Rolle im Gemeinschaftsleben spielte die Blasmusik. Sie war weithin bekannt und errang Preise bei verschiedenen Musikwettbewerben.

Landwirtschaft und Gewerbe - Die Keisder Gemarkung hatte 1926, vor dem Zusammenschluß mit Klosdorf und Zoltendorf, 7 106 Hektar. Außer dem Anbau der in Siebenbürgen üblichen Kulturen wurden noch Hopfen-, Obst- und Weinbau betrieben.

Das Gewerbe entwickelte sich ziemlich früh: Schon im 16. Jahrhundert waren die Keisder Zünfte Mitglied der Landesunion der Zünfte. Dadurch erwirkte Keisd, daß der siebenbürgische Woiwode Christoph Bathori der Gemeinde 1577 das Jahrmarktprivileg erteilte. Neben Kürschner-, Schuster-, Schmied- und Faßbinderzunft hatte die Töpferzunft eine große Bedeutung. Die kobaltblaue Keisder Keramik gehört mit zum Besten der siebenbürgischen Töpferkunst.

Die Keisder Burg - Sie ist eine der bedeutendsten Bauernburgen Siebenbürgens und wurde um 1343 (Steininschrift) südwestlich vom Ort auf dem Burgberg errichtet. Der Standort bot einen guten Überblick: herannahende Feinde oder Feuer konnten sofort im Ort gemeldet werden.

Die Kirche - Die Stephanskirche wurde 1493-1503 auf den Mauern einer im gotischen Stil gebauten älteren Kirche errichtet. Um auch bei Überraschungsangriffen, wenn die Burg nicht mehr zu erreichen war, gewappnet zu sein, wurden Kirche und Turm als Wehrkirche ausgebaut. Von den Pfarrern, die hier gepredigt haben, wurden sieben, davon zwei gebürtige Keisder, ins Bischofsamt gewählt. In Keisd sollen insgesamt sieben Kirchen und Kapellen gestanden haben, davon sind heute außer der Stephanskirche vier nachweisbar.

Verwaltung - Nach Auflösung des Königsbodens (1876) gehörte Keisd zum Großkokler Komitat mit Schäßburg als Vorort; nach der kommunistischen Verwaltungsordnung gehörte die Gemeinde zunächst zum Rayon Schäßburg, Region Kronstadt; seit der Verwaltungsreform von 1968 zum Kreis Mieresch. Keisd ist Sitz der Großgemeinde, der noch Klosdorf und Zoltendorf (Mihai Viteazul, früher Zoltan) angehören.

Wer mehr über Keisd wissen möchte, kann die Ortschronik "Keisd, eine Marktgemeinde in Siebenbürgen", Autor: Fr. P. Menning, bei M. Bodendorfer, Telefon (02262) 4685, käuflich erwerben.

Die HOG in Deutschland
Zur HOG Keisd gehören zur Zeit 294 Familien. Die Heimatortsgemeinschaft wurde beim zweiten Keisder Treffen, am 6. Oktober 1986, durch die Wahl eines Vorstandes gegründet. Die HOG ist ein eingetragener Verein und veranstaltet jedes dritte Jahr ein Treffen. Der Vorstand kommt mindestens einmal im Jahr zusammen. Alle sechs Jahre finden Neuwahlen statt. Als HOG-Publikation erscheint einmal im Jahr das "Keisder Heimatblatt" mit Meldungen, Berichten sowie Beiträgen zum Brauchtum und zur Ortsgeschichte. 1995 wurde das erwähnte Heimatbuch veröffentlicht. Die HOG beteiligt sich jährlich mit einer Trachtengruppe am Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl.

Während des kommunistischen Regimes in Rumänien hat sich die HOG für die Hilfe der Landsleute in Keisd eingesetzt. So wurden mit Spenden und Beiträgen über 400 Pakete und zwei Lastwagen mit Hilfsmitteln nach Keisd geschickt. Zudem werden jährlich Pakete für die Weihnachtsbescherung der Kinder zusammengestellt. Hilfssendungen wurden auch in Zusammenarbeit mit dem Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen, der Diakonie und dem Roten Kreuz organisiert. In den nächsten Jahren ist die Renovierung der Kirche in Keisd geplant, woran sich die HOG finanziell beteiligen wird. Zur Zeit leben etwa 60 Sachsen in Keisd, die keinen eigenen Pfarrer haben und von auswärts, meist von Schäßburg aus, seelsorgerisch betreut werden.

Um die Traditionen von Keisd auch hier weiterzuführen, wurden in Westhausen und Mössingen, wo mehrere Keisder wohnen, Nachbarschaften gegründet.



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Dokument: ../orte/keisd/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 19.07.98 Dirk Beckesch