Lage und historischer Überblick
Die siebenbürisch-sächsische
Großgemeinde Großprobstdorf: rumänisch Prostea
Mare (durch Angleichung an den deutschen Ortsnamen entstanden), seit
1958 Tarnava, nach dem rumänischen Namen der Großen
Kokel; ungarisch Nagy-Ekemezö (d.h. "Großes
Ackerfeld"). Wie man heute weiß besteht zwischen den drei
verschiedenen Bezeichnungen kein inhaltlicher Zusammenhang. Mundartform:
Griuspriustref. Großprobstdorf liegt an beiden Ufern der Großen
Kokel, der alte Teil rechts, der neue Teil links, etwa auf halber Strecke
an der Landstraße und Eisenbahnlinie, die Mediasch und Klein-Kopisch
verbindet. Hattertgrenzen hat die Gemeinde im Norden zu Baaßen (Hohe
Warte und Steinberg), im Westen zu Wölz und Bonnesdorf (Hillen Wald,
Rilich Wald), im Süden zu Kleinprobstdorf (Flossel) und am linken
Ufer der Großen Kokel zu Wurmloch (Schemert Wald und Schmert Ebene),
im Nordwesten zu Eibesdorf (Erlen) und im Nordwesten am rechten Ufer der
Großen Kokel zu Mediach (Bächels und Gräfenberg).
Entwicklung des Ortsnamens: Älteste urkundliche Erwähnung 1331 als Villa Praepositi maior. Erwähnungen auf mittelalterlichen Karten sowie bibliographische und philologische Angaben zur Etymologie des Ortsnamens sind häufig: 141 de villa Praepositi; 1494 Proszdorff maius, Grwszproszdorff; 1495 Grszprosdorff; 1541 Gross-Prostdorff; Karte 1532 prostorf; 1665 über die Gross Probstdorffer; 1805 Grosz Probstdorff; 1850 Grossprobstdorf; 1854 Gross-Probstdorf, 1964 Großprobstdorf.
Das Territorium (Flur, Hattert) der Gemeinde bestand als Grundbesitz und betrug im Jahre 1886, etwa in der Zeit der gesetzlichen Kommassation (Flurbereinigung), 4552 Joch.
Schon in vorgeschichtlicher Zeit, vor der Ansiedlung der Sachsen (1241), hat es auf dem Gebiet von Großprobstdorf Menschenleben gegeben. Davon zeugen laut Carl Gooss "fünf Steinäxte, mehrere der bekannten tönernen "Feuerherde", ein Goldstaler Alexander des Großen, eine makedonische Tetradrachme und angeblich irdene Formen zum Gusse von Metallen in Stabform". Aus spätrömischer Zeit (letztes Viertel des 3. und 4. Jahrhunderts) stammen zwei Zwiebelkopffibeln. In die Zeit vom 4. bis zum 13. Jahrhundert fällt der Bau der "Burg" (Erdburg) von Großprobstdorf (Kurt Horedt).
Die frühe Erwähnung des Ortes (1331) weist darauf hin, daß schon damals Ackerbau betrieben wurde. Eine Urkunde von 1359 bezeichnet die Gemeinde als Besitzung der Hermannstädter Probstei. Noch in der vorreformatorischen Zeit, 1424, wurde die Probstei durch den König aufgelöst und der Stadt Hermannstadt zugeschlagen. Grundherr wurde der Hermannstädter Magistrat, der im Namen der Stadt seine Hoheitsrechte ausübte. In Großprobstdorf gab es ein Gemeindegericht. So werden 1506 ein Richter und ein Hann bei der Steuerzahlung an Hermannstadt als Vertreter der Gemeinde genannt. Bekannt ist der Prozeß Scherwerdt (Kleinprobstdorf) gegen Schuster (Großprobstdorf) von 1716-1717. Der Magistrat von Hermannstadt beschließt 1788, daß die Bewohner von Klein- und Großprobstdorf künftig als Mediascher Stuhlsleute angesehen werden sollten, da sie Nachbarn von Mediasch seien.
Bevölkerungsstruktur im Mittelalter: 1496 (Grusprosdorff): 48 Wohhabende; 1630 (Gross Prossdorf): 104 Zugänge; 1695: 25 Flüchtlinge, 6 Verarmte; 1721: insgesamt 167 Bürger, davon 94 sächsische Eingentümer und 73 Bürger ohne Hausbesitz, 48 rumänische Sedler, 25 Steuerbefreite, 5 verlassene Häuser; 1750: 29 Rumänen, 20 Sedler, 7 Nichtansässige, 2 Witwen, 4 Zigeuner, 152 Sachsen, davon 117 freie, 20 Witwen und 11 Sedler; 1787: 225 Häuser, 256 Familien, 1137 Seelen, davon 550 Frauen und 568 Männer.
Weitere demographische Angaben: 1630: 104 Familien; 1711: 51 Familien; 1712: 70 Famlien; 1721: 167 Familien; 1787: 1137 Seelen; 1839: 1320 Seelen; 1850: 1226 Seelen; 1880: 1265 Seelen; 1910: 1618 Seelen; 1930: 1817 Seelen; 1940: 2126 Seelen; 1956: 2513 Seelen; 1966: 3499 Seelen (nach Paul Binder, der sich offenbar auf die Gesamtbevölkerung bezieht).
Nach Oskar Meltzl (1886) hat Großprobstdorf 854 evangelische Seelen; die Sachsen machen 68 Prozent der Gesamtbevölkerung aus; 236 Zigeuner; 238 Magyaren. Auf 100 Seelen entfallen 3,45 Geburten und 3,48 Sterbefälle. 1886 gibt es schon die Eisenbahnstation, aber noch kein eigenes Postamt. Großprobstdorf gehört zu den 20 Gemeinden Siebenbürgens die besonders stark unter Feuersbrünsten und den zerstörenden Einflüssen der wilden, unregulierten Wasserläufe gelitten haben und hoch verschuldet sind.
Kirche und Schule - Ein Vorgängerbau der heutigen Saalkirche war die Kirche des Heiligen Ladislaus (des Heiligen von Großprobstdorf in der vorreformatorischen Zeit), die sich auf einem Hügel im Nordwesten des Ortes befand. Daran erinnert heute nur noch die Flurbezeihnung "Bä der Lasslä Kirch".
Die Gemeinde ist kirchlich Bestandteil des Bulkescher Kapitels, was erstmals 1565 bezeugt wird (Georg Eduard Müller). Um 1500 beginnt der Bau einer einschiffigen, turmlosen Saalkirche; die Jahreszahl an der äußeren Chorwand weist darauf hin, daß der Steinbau 1505 beendet wurde. 1792 wird das alte Rippengewölbe entfernt und das jetzige Tonnengewölbe eingebaut. 1869 wird die Kirche renoviert. Anfang des 20. Jahrhunderts wird die Sakristei wegen Baufälligkeit abgetragen.
Ein aus dem 15. Jahrhundert stammender Flügelaltar mit sehr wertvollen Malereien befindet sich derzeit im Brukenthalmuseum (der Altar gehört laut Kertesz-Badrus, 1980, zur Spätgotik). Der heutige Altar aus dem Jahre 1871 ist im neugotischen Stil gehalten, das Altarbild stammt von Ditmarsch aus Wien. Die Orgel wurde 1796 von Samuel Maetz in Bistritz als Schleifladenorgel gebaut.
Die Kirche war früher von einer Ringmauer umgeben, die Anfang des 20. Jahrhunderts bis auf einen geringen Teil abgetragen wurde. Der Sage nach befand sich auf dem heutigen Standort der Saalkirche der alte Friedhof. Die Überschwemmung von 1877 schwemmte soviel Erdreich heran, daß das Gelände nun 2 Meter höher gelegen ist. So muß man heute sechs Stufen zum Gotteshaus hinuntersteigen.
Zehn Meter nordöstlich der Kirche steht der ganz aus Ziegel errichtete Glockenturm (die Baupläne sind heute noch vorhanden), der auf einer älteren Reproduktion noch als Wehrturm mit Schießscharten und Holzwehrgang unter einem Pyramidendach dargestellt wird. 1897 wurde der morsche Wehrgang entfernt, der um ein weiteres Geschoß erhöhte Turm erhielt seine heutige Gestalt, mit neugotisch modernisierter Fassade. 1944 wurde durch die HOG ein automatisches Glockengeläut angebracht.
Auf einer Fotografie des 19. Jahrhunderts ist die alte Kirchenburg noch mit einer etwa neun Meter hohen Ringmauer, mit doppelreihigen Schießscharten, zu sehen, im Nordosten stand ein Torturm. Vom einfachen, unregelmäßig vieleckigen Bering, der 1590 entstand, ist heute nur noch der Südabschnitt erhalten. Im Innern des aus Ziegel errichteten Mauergürtels befanden sich Fruchthäuschen, die zugleich mit den Mauern zu Beginn des 20. Jahrhunderts entfernt wurden. Das Abbruchmaterial wurde zum Bau eines Gemeindesaales (1906) benötigt. Im Westen verdrängte der neue große Schulbau die an den Glockenturm anschließende Mauer. Ebenso fiel ein Nordturm mit dem betreffenden Mauerabschnitt. Nur im Osten steht noch ein dreigeschossiger Wehrturm, der angesichts des meterhoch angeschwemmten Erdreichs niedrig wirkt: Der Eingang ins Erdgeschoß überragt nur zur Hälfte den Boden. Gegen Osten ist der Turm dreiseitig geschlossen, sein Grundriß ist ein unregelmäßiges Sechseck. Die Kirchenburg war von einem Sumpf umgeben, den die Bauern "Kirchenporl" nannten und der - ein natürliches Hindernis gegen eindringende Feinde - erst im 19. Jahrhundert trockengelegt wurde (Juliana Fabritius-Dancu).
Ein Entwurf zur Einfriedung des Evangelischen Friedhofs A.B. aus dem Jahre 1921 liegt vor. Er wurde jedoch nie umgesetzt. Das Gelände des "neuen" Friedhofs hatte Michael Ambrosi der Gemeinde unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Der "Pesthügel" auf dem Friedhof erinnert an ein Massengrab aus der Zeit der Pestepidemien. Ein Verdienst der HOG Großprobstdorf ist die Teilumfriedung des Friedhofs (1992).
1567 wird erstmals ein Schulmeister erwähnt. Dieses Jahr fällt übrigens in die Amtszeit (1563-1570) des ersten namentlich belegten Pfarrers in Großprobstdorf, Martinus Schlesiger (Series Pastorum). 1851 hatte die Gemeinde, bei einer Seelenzahl von 909 Sachsen, drei Lehrer: Johann Homm, Andreas Klein für die männliche Jugend, und Johann Zikeli für weibliche Jugend. Die Statistik führt dabei noch keine Schülerzahl auf. 1856 zählte der Ort 899 evangelische Seelen, davon 440 männliche und 459 weibliche. Die Schülerzahl betrug 70 männliche und 49 weibliche Personen, also insgesamt 119. Die Lehrer waren die gleichen wie 1851. Laut Visitationsbericht von G.D. Teutsch von 1877/78 gab es in Großprobstdorf eine dreiklassige Volksschule. 1901 gab es 1013 ev. Seelen, davon 182 Schulkinder (97 Jungen, 85 Mädchen). Lehrer waren Andreas Klein (seit 1848), Friedrich Henning (seit 1890). 1941 werden 1535 ev. Seelen verzeichnet, davon 156 Schulkinder, Prediger und Rektor Martin Bretz, Lehrer Martin Herberth, Lehrer Ernst Erwin Schmidt und Lehrerin Johanna Schneider.
Wenn es Schüler und Lehrer gab, dann hat es auch Schulbauten gegeben, wenngleich wir heute dafür keine Unterlagen besitzen. Die neue Schule wurde durch Bischof Glondys am 18. September 1938 eingeweiht (Pressebericht). Die Gemeinde hat die neue Volksschule (7 Klassen) nach Plänen des Architekten Fritz Haner (Mediasch) durch Baumeister Lingner (Dunnesdorf) erbauen lassen. Die 1542 evangelische Seelen zählende Gemeinde leistete dabei außer der sehr hohen Schulbauumlage noch 10 353 Handarbeitstage und 4280 Fuhren.
Persönlichkeiten der Gemeinde - Hier können sie nur
kurz genannt werden:
Michael Ambrosi sen. (1862-1933). Verdienste:
Durchführung der Kommassation, Gründung einer Weinbaukommission
für Siebenbürgen, Gründung der Ambrosi-Rebschule in Großprobstdorf.
Michael Ambrosi jun. (1880-1940) beerbt seinen Vater und weitet das Gut
auf Mediasch aus, Gründung eines Reb- und Baumschulunternehmens in
Straßburg am Mieresch (Aiud), Autor von Fachbüchern, u.a. "Der
praktische Weinbauer" (drei Auflagen bis 1925).
Stefan Deubel
(geb. 1916), der Vater stammte aus Michelsdorf an der Kleinen Kokel,
Journalist, wanderte nach Amerika aus, wo er eine Zeitung gründete
und führte.
Stefan Adam (der Vater stammte aus Michelsdorf),
arbeitete in Deutschland an der Entwicklung der Fernsehtechnik.
Die HOG in Deutschland
Die HOG Großprobstdorf wurde
im Vergleich zu anderen Heimatortsgemeinschaften spät gegründet.
Auf dem 2. Treffen in Regensburg, im Mai 1988, wurde Ernst Michael
Herberth (Metzingen) zum Vorsitzenden gewählt. Die starke "Nachbarschaft"
in Regensburg wurde angeschlossen und die HOG verstärkt. Leistungen
der HOG: mehrere Hilfstransporte in die Heimatgemeinde - 1990 von
Heidelberg (H. Kelp), 1990 durch den Lions Club Rheingau (Hans Ambrosi)
und 1993 von Metzingen (E. M. Herberth). Dank sagen müssen wir
unseren Mitgliedern vor Ort, vor allem Misch Gunesch-Sonnenschein für
seine aufopferungsvolle Mitarbeit. Eine Hauptaufgabe der HOG ist die
Erstellung eines Heimatbuches und, auf lange Sicht, eines
Ortssippenbuches. Wir laden alle Mitglieder zur Mitarbeit ein.