Groß-Alisch

von Stefan Hermann, HOG-Sprecher

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15. April 1997)

Geschichtliches im Rückblick
Groß-Alisch, rumänisch Seleus oder Seleusul Mare, hatte folgende urkundlich nachweisbare Ortsnamen in der Vergangenheit: 1348 Scewlews, 1393 Ewiuesch, 1411 Zewiws, 1432 Ewlesch, um 1500 Halws, 1501 Nagy-Zeuleus, 1526 Ewiysz, 1532 Gross-alysz, 1661 Szölös, 1804 Gross-Szölös. Grundform ist vermutlich das ungarische Wort "szöllös", das Weinhalde bedeutet und der Lage des Ortes entspricht. Aus "Szöllös" hat der Sachse "Zalesch" gemacht und dies volksetymologisch als "ze Alesch" (zu Alisch) abgeleitet.

Das Beiwort "Groß" erhielt die Gemeinde möglicherweise durch ihre unmittelbare Nähe zur Großen Kokel. Da es zwei unweit voneinander liegende Gemeinden mit demselben Namen gab, die an der Großen bzw. Kleinen Kokel liegen, waren es vermutlich die Herren vom Bogeschdorfer und Schäßburger Kapitel, die - um Mißverständnisse zu vermeiden - die Gemeinden mit dem Beiwort "Groß" und "Klein" versahen.

Groß-Alisch liegt im ersten größeren Seitental am rechten Ufer der Großen Kokel, unterhalb von Schäßburg, nahe der in der Siedlungszeit wichtigen Heerstraße aus dem Norden, von Neumarkt nach Schäßburg, sowie der Handelsstraße, die von Schäßburg westwärts nach Mediasch führt. Der Ort wurde nach dem von den Siedlern bevorzugten "Dreiecktypus" für Dorfgründungen angelegt.

Urkundlich wird Groß-Alisch erstmals 1348 unter der Bezeichnung Scewiews genannt. Die Gründungszeit der Gemeinde liegt am Anfang des 13. Jahrhunderts. Aus einer Überlieferung von 1348 geht hervor, daß die Abtei von Koloschmonoster nahe Klausenburg, einen Rechtsanspruch auf den Besitz Groß-Alisch angemeldet hatte. Die Vermutung liegt also nahe, daß auch Groß-Alisch, wie die ringsum liegenden Gemeinden Dunnesdorf, Groß-Lasseln, Halvelagen und Pruden, anfangs untertänige Besitzung war. Der Rechtsanspruch des Klosters erlosch jedoch, und die Gemeinde blieb fortan im Verwaltungsbereich des Schäßburger Stuhls.

1488 zählte sie 70 Wirte, eine Mühle, ein wüstes (leerstehendes) Haus sowie drei Hirten und stand damit an achter Stelle unter den 16 Landgemeinden des Schäßburger Stuhls. Ihre Einwohner waren fast ausschließlich Bauern.

Der Hattert der Gemeinde umschließt ca. 4000 Joch Grund und Boden, ist also verhältnismäßig klein.

1505 vernichtete ein Großbrand die Hälfte der Häuser und Wirtschaftsgebäude.

1554 wurde die Gemeinde von einem großen Viehsterben heimgesucht.

Trotz dieser Schicksalsschläge wurden bei einer Erhebung von 1593 zur Berechnung der Landsteuer 152 Steuerpflichtige gezählt. Die Zahl der Gemeindebewohner hatte sich in einem Jahrhundert (1488-1593) verdoppelt. Im selben Jahr (1593) betrug die Zahl der Steuerträger in anderen Orten des Schäßburger Stuhls: Keisd 304, Trappold 245, Schaas 213, Henndorf 1853, Arkeden 165, Denndorf 130, Radeln 124, Bodendorf 120, Neithausen 105 und Meeburg 88.

Anfang des 17. Jahrhunderts brach eine besonders leidensvolle Zeit für Siebenbürgen an: Wilde Kriegshorden lösten einander im Besitz des Landes ab: Es war die Zeit der Basta; Moses Szekeli, Bocskai, Gabriel Bathori und des walachischen Woiwoden Michael, die allesamt großes Unheil stifteten. In der Gemeinde Groß-Alisch hatte das Kriegsvolk so gewütet, daß innerhalb eines Menschenalters die Zahl der Steuerträger von 152 auf 29 herabsank.

Einige Jahrzehnte später tobten die Entscheidungskämpfe zwischen der Pforte und dem Abendland. Von den Kämpfen blieb auch Groß-Alisch nicht verschont. 1662 verschanzte sich Fürst Apafi, ein Türkengünstling, mit seinen Kämpfern, samt 4000 Türken, in Schäßburg gegen den von Österreich eingesetzten Gegenfürsten Kemeny. Der Zusammenstoß der beiden Heere ereignete sich unweit von Groß-Alisch. In der Schlacht stürzte Fürst Kemeny von seinem Pferd und kam zu Tode, die Kemenyschen Truppen flüchteten in dern Wald. Nur die "deutschen Völker" (deutsche Söldner) vom linken Flügel hielten stand und mußten so "die letzte Ölung bezahlen" (sie wurden alle niedergemacht). Die Gefallenen wurden auf dem Schlachtfeld in ein Massengrab gelegt. Bis in die neueste Zeit stößt man beim Umgraben der Erde an einer bestimmten Stelle "Im Weiher" immer wieder auf Menschenknochen.

Da die Verlierer keine Zeit zum Plündern hatten und die Türken sich mit der Kemenyschen Kriegsbeute begnügten, scheint die Gemeinde selber bloß mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Zur Erinnerung an die Schlacht wurde auf dem Schlachtfeld - es ist ungewiß wann - ein Türmchen errichtet. 1900 wurde es renoviert und steht, zwar verwittert, auch heute noch.

1669 verfaßten die Gemeindeglieder von Groß-Alisch die ersten Nachbarschaftsartikel, die 1750 in verbesserter Form neu aufgelegt wurden.

Verheerende Brände an Häusern und Wirtschaftsgebäuden ereigneten sich am 14. Juni 1825, am 21. August 1859, am 16. Juli 1866 und im August 1874.

Die Kirche in Groß-Alisch ist eine Saalkirche mit dreiseitig geschlossenem Chor. An die Nordseite des Chors ist die Sakristei angebaut. Die Kirche wurde vermutlich 1476 fertiggestellt. Sie ist in gotischer Bauweise teils aus Stein und teils aus Ziegeln errichtet. 1503 wurde sie in eine Wehrkirche umgebaut. 1820 wurde sie zum letzten Mal renoviert und durch einen Ausbau verlängert, wodurch sie ihre heutige Gestalt erhielt. Der Altar ist ein Barockaltar aus dem Jahr 1713. Die Kanzel ist aus Holz gefertigt und stammt aus dem Jahr 1823. 1843/44 wurde die Orgel mit 24 Registern, zwei Manualen und Fußpedal vom Orgelbauer Schneider aus Kronstadt erstellt.

Der Glockenturm befindet sich in südöstlicher Lage und ist getrennt von der Kirche in die Ringmauer eingebaut. Er ist zweistöckig, mit einem Holzwehrgang versehen und durch ein Pyramidendach abgedeckt. Die oberen Teile mit den Verkragungen wurden im 16. Jahrhundert errichtet. Auf das Alter des Unterbaus deutet die Mächtigkeit der Steinmauer hin. Groß-Alisch hat zwei vorreformatorische Glocken. Die größere Glocke stammt aus dem 14. Jahrhundert, die kleinere verweist, aufgrund der Inschriftsbuchstaben, auf das 15. Jahrhundert.

Persönlichkeiten:
Andreas Berger wurde am 13. Oktober 1850 als Predigersohn in Groß-Alisch geboren. Er war Oberst in der k.u.k. Monarchie und wurde als Meister des Weidwerks und Miterschließer der siebenbürgischen Bergwelt bekannt Er starb 1919 in Hermannstadt.
Maria Seifert, Lehrerin, geboren in Keisd, lehrte über zwei Generationen von 1918 bis 1956 an der Schule in Groß-Alisch, wo sie 1978 starb.

Pfarrer: Von 1476 bis 1997 sind 34 Pfarrer und mehrere Prediger namentlich in Groß-Alisch nachweisbar.

Um 1500 wird erstmals ein Schulgebäude urkundlich erwähnt. 1854 wurde anstelle des alten, zu klein gewordenen Schulgebäudes ein neues mit drei Klassenzimmern und einer Lehrerwohnung errichtet.

1754 baute die Gemeinde ein Offiziersquartier für die kaiserlichen Besatzungstruppen. 1902 wurde das Gebäude renoviert und als Dorfschenke eingerichtet. Später wurde es zur rumänischen Staatsschule umfunktioniert.

1864 wurde die für die Gemeinde sehr wichtige Kokelmühle samt Wehr und Schleuse vom Hochwasser der Kokel weggeschwemmt, 1869 eine neue Mühle aus Stein gebaut und in Betrieb genommen.

1894 wurde der Landwirtschaftliche Ortsverein gegründet, der eine ansehnliche Rebschule betreute. Am 22. März 1899 wurde der Raiffeisenverein ins Leben gerufen.

Ende des 19. und bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts herrschte unter den Siebenbürgen Sachsen wiederholt das Auswanderungsfieber nach Amerika, das auch Groß-Alisch erfaßte: Von 1899 bis 1912 wanderten 103 Personen aus, 74 männliche und 29 weibliche.

1902 wurde die einstöckige, vom Gustav-Adolf-Werk mitfinanzierte deutsche evangelische Schule eingeweiht.

1912/14 Abschluß der Bodenreform (Kommassation) in Groß-Alisch.

1918 endet der 1. Weltkrieg mit dem tragischen Verlust von 28 Toten und Vermißten aus der Gemeinde.

1927, am 20. Juli, nachmittags gegen 15 Uhr, wird die Ringmauer am Nordwestteil in Bachnähe durch einen im Roderfeld niedergegangenen Wolkenbruch unterspült und weggeschwemmt.

1931 begann die Sparzeit für einen Saalbau, der die sächsischen Haushalte mehrere Jahre hindurch belastet. 1939-41 erfolgt der Saalbau.

Nach dem 2. Weltkrieg hat Groß-Alisch 80 Tote und Vermißte zu beklagen. Verschleppt werden 1945 nach Rußland 139 Personen, davon 89 weibliche und 50 männliche. Eine Frau und zwei Männer sterben in der Deportation.

1945 werden die sächsischen Bauern enteignet, was die Folgezeit prägte. Die Gemeinde hatte keine Industrie; die Sachsen arbeiteten in dem staatlichen Wein- und Ackerbaubetrieb sowie in der Kollektivwirtschaft. Die jüngere Generation besuchte vermehrt weiterführende Schulen oder pendelte in die Industrie nach Schäßburg und Mediasch. Einen großen Teil zog es nach Hunedoara.

1956 erfolgte die Begasung, 1959 begann die Elektrifizierung von Groß-Alisch.

1983 erhielt die Kirche ein elektrisches Orgelgebläse und neue Passionsparamente aus Spenden von den im Ausland lebenden Gemeindegliedern.

Bevölkerungsstatistik:
1786 zählte Groß-Alisch 863 Seelen.
1880 waren es 1323, davon 302 Nichtdeutsche
1900 waren es 1505, davon 305 Nichtdeutsche
1941 waren es 1648, davon 551 Nichtdeutsche
1966 waren es 1667.
Am 30. Juni 1996 lebten noch 80 Deutsche in Groß-Alisch, die zum Teil aus Mischehen stammen.



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Dokument: ../orte/gross-alisch/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 18.07.98 Dirk Beckesch