HZ Nr. 1557/ 16.01.1997

"Ich möchte Freude und Frohsinn verbreiten"

Erinnerungen an den Lehrer und sächsischen Mundartdichter Karl Gustav Reich / Von Heinz GALTER

Karl Gustav Reich wurde am 29. Dezember 1997 in Gießen zu Grabe getragen, wo er zehn Tage vorher im Alter von fast 93 Jahren gestorben war. Er hatte ein bewegtes Leben hinter sich: Am 15. März 1905 in Hermannstadt als Sohn des Pfarrers Carl Reich geboren, verbrachte er seine Kindheit auf dem Pfarrhof von Kerz und lernte dort das urwüchsige sächsische Dorfleben kennen. Nach dem Abitur an der Brukenthalschule studierte er an mehreren Universitäten, wurde 1929 Gymnasiallehrer in Bukarest, 1935 Studienassessor in Berlin, war dann ab 1939 Seminarlehrer in Hermannstadt und später in Schäßburg. Seit 1981 lebte er in Deutschland. Einem breiteren Publikum wurde er durch den Vortrag seiner heiteren sächsischen Verse bekannt, in denen er auf humorvolle Art Ereignisse aus dem Volksleben mit der Absicht schildert, Freude und Frohsinn zu verbreiten. Im folgenden möchte ich einige Erinnerungen an meinen Onkel, diesen liebenswerten Menschen, schildern.

Meine erste Erinnerung an Karl Gustav Reich reicht weit zurück. Es mag im Jahre 1936 gewesen sein, als es noch zu den ganz großen Seltenheiten gehörte, daß jemand einen Rundfunkempfänger besaß. Damals lebten wir in Karlsburg, und unser Bäckermeister Ludwig hatte ein Radio. Irgendwie hatten wir es erfahren: "Karlionkel spielt dann und dann im Berliner Radio auf einer rumänischen Hirtenflöte!" So kam es, daß wir beim Bäckermeister zusammensaßen und auf den geheimnisvollen schwarzen Kasten blickten, der nur eine Skala von Zahlen enthielt. Tatsächlich wurde dann der Onkel angesagt, und wir hörten ihn über tausend Kilometer auf der Flöte rumänische Volksweisen spielen. Damals hatte ich den Onkel von Angesicht noch nie gesehen. Als ich ihn ein oder zwei Jahre später kennenlernte, schloß ich ihn gleich ins Herz.

Er war der jüngste Bruder meiner Mutter und zugleich der jüngste der fünf Kinder meines Großvaters Carl Reich, bei dem wir Enkelkinder uns in den Ferien immer auf dem Pfarrhof von Almen aufhalten durften. In dieser Zeit mag es gewesen sein, daß ein Almer Bauer dem "Herrn Vater" das Brennholz für den Winter in den Hof brachte. Der Onkel wollte mithelfen, das Holz zu schlichten, und tat das so, daß möglichst keine Zwischenräume zwischen den Holzscheiten blieben. Nach einer Weile sagte der Bauer bedächtig: "Härr Professor, bleiwe Sä bä ären Bäjern end losse se mech bä mengem Hulz!" Wir Kinder hatten den Onkel alle sehr lieb und fanden es überaus interessant, wenn er plötzlich italienisch mit uns sprach. (Er hatte auch in Perugia/Italien studiert.)

Ab 1941 war K. G. Reich auch mein Lehrer am Seminar. Die Schüler hatten ihn gern, obgleich er nicht sehr attraktive Fächer, Pädagogik und Psychologie, unterrichtete. Aber das Unterrichten war für ihn eine Angelegenheit des Herzens.

Ganz deutlich ist mir die denkwürdige Aufführung des Hermannstädter Landestheaters in Erinnerung, wo der Onkel zusammen mit seiner späteren Gattin die Hauptrollen in dem sächsischen Lustspiel "Der Härr Lihrer kit" spielte, das sein Bruder, Pfarrer Otto Reich, geschrieben hatte. Diese Aufführung wurde richtungweisend für die späteren Theateraufführungen in sächsischer Mundart. 1943 hat der Onkel Grete Salzer, die Tochter des Geschäftsführers von Krafft & Drotleff geheiratet. In den folgenden, z. T. für sie sehr schweren Jahren, haben sie ihre vier Kinder großgezogen. Ganz besonders schwer war es dem Onkel, als das Seminar nach Schäßburg verlegt wurde und der damalige Wohnungsmangel ihn besonders hart traf.

Es war für ihn ein Aufleben, als er nach Hermannstadt zurückkehren durfte, im Elternhaus seiner Frau Wohnung fand und seine Lehrertätigkeit fortsetzen konnte. Doch sehr bald fand sich für ihn ein neues Betätigungsfeld: Wenn er auch schon bisher einzelne Gedichte in seiner geliebten sächsischen Mundart geschrieben hatte, so wurde nun sein Schaffen in diese Richtung regelrecht gedrängt. Denn als die Gründung der sogenannten ãSeniorenblasiaÒ erfolgte, deren Konzerte und Ausfahrten überaus gut besucht waren, wurde er gebeten, die Musikanten zu begleiten und in den Pausen Mundartgedichte vorzutragen. So wuchs die Zahl seiner "Dichtungen", und 1976 konnte im Bukarester Kriterion-Verlag die erste Sammlung von Gedichten unter dem Titel "Kut mer lachen int!" erscheinen. Es wurde ein großer Erfolg. Nach 1981 hat er dann in Deutschland noch zwei weitere Bändchen mit sächsischen Gedichten erscheinen lassen, die ebenfalls rasch vergriffen waren. Seine Vortragsreisen konnte er auch dort fortsetzen und Menschen zum lachen bringen. Er tat dies nach der von ihm formulierten Devise: "Lachen hilft das Leben meistern!".

Nicht nur die, die bei ihm Unterricht hatten, sondern auch alle, die ihn einmal gehört und erlebt haben, werden sich gern seiner erinnern. Er war Lehrer, nicht nur mit seinem Geist und seinem Wissen, sondern mit dem Gemüt und dem Herzen. Als scharfsichtiger Beobachter der Zeit und vor allem des Dorflebens, das er in seinen Gedichten beschreibt, hat er auch seine Zöglinge das Beobachten und Bedenken gelehrt. Dazu wußte er: Der Humor ist für die Pädagogik ein unverzichtbarer Bestandteil. Wo alle Strenge versagt, hat ein Lachen immer noch eine Chance.

Karl Gustav Reich wird im sächsischen Geistesleben seinen Platz behalten. Er hat einige Generationen von sächsischen Lehrern und Lehrerinnen mitgeprägt, und die seine Gedichte gehört oder seine sächsischen Lustspiele "Der Gezkruejen" und "De Prozässentrenj" gesehen haben, werden sich gern an ihn erinnern.

.

 

Zurück zur Hauptseite der Hermanstädter Zeitung
Dokument: ../hz/1557_2.htm, letzte Änderung 30.01.97, Autor: Michael Kothen