HZ Nr. 1553/12.12.1997
Ob die EU sich gnädig erweisen wird gegenüber Rumänien und es zu den Aufnahmegesprächen jetzt schon einladen wird - das scheint im Moment der einzige Grund zu sein, weshalb die Regierungskoalition noch zusammen hält. Kaum war nämlich die Regierungsumbildung beendet, erschütterten schon zwei weitere Krisen das frisch restaurierte Kabinett: Zwei Minister traten kurzfristig in den Regierungsstreik, drei Minister verlangten unvorsichtigerweise die Wiedereinführung der Monarchie. In beiden Fällen mußte Präsident Constantinescu einschreiten.
Das heißt, im Fall der drei Königsbefürworter kam es erst durch das Kommuniqué aus dem Präsidentschaftspalast zum Eklat: Dadurch erst wurde die zum 30. Dezember, 50 Jahre nach der erzwungenen Abdankung von König Mihai, abgefaßte Erklärung mit dem Wunsch, Rumänien möge zur Monarchie zurückkehren, publik. Die drei - Kulturminister Ion Caramitru, Landwirtschaftsminister Dinu Gavrilescu und Sorin Botez, der frisch eingesetzte Informationsminister, widerriefen zwar nicht, entschuldigten sich aber für das mit ihrem Amt nicht zu vereinbarende Begehren.
Schwerwiegender war der Regierungsstreik von Minderheitenminister György Tokay und Tourismusminister Ákos Birtalan. Die beiden UDMR- Vertreter im Kabinett entschlossen sich zu dieser extremen Maßnahme, nachdem der Senat in geheimer Abstimmung über das Unterrichtsgesetz den Universitätsunterricht in der Muttersprache zu Fall gebracht hatte. Der Ungarnverband hatte mit den Regierungspartner vorsorglich ein Protokoll unterzeichnet, wo man sich auf einen Kompromiß geeinigt hatte: DieUngarn verzichteten auf den Geographie- und Geschichtsunterricht in der Muttersprache, und die Koalitionsparteien versprachen, den Gesetzestext bei der Abstimmung im Parlament ungeschoren zu lassen. Doch die Senatoren hielten sich bei der geheimen Abstimmung nicht an das offenbar ebenfalls geheime Abkommen.
Gleichzeitig fuhr der Generalsekretär der Regierung, Remus Opris, nach Odorheiu Secuiesc, um den dort schon lange brodelnden Konflikt um ein Kinderheim zu schlichten, das griechisch-katholische (also rumänische) Ordensschwestern führen sollen. Der Ungarnverband bezichtigte Opris der Parteilichkeit zugunsten der Ordensschwestern (und auch die seriöse Menschenrechtsorganisation Liga pro Europa sieht das so). Dazu kommt, daß kurz vorher die Regierung aus unerklärten Quellen 1,17 Milliarden Lei für die Restaurierung der rumänisch-orthodoxen Kirchen in den ungarischen Gebieten springen ließ, nachdem Adevãrul mit viel Tamtam eine pro-orthodoxe Spenden- und gleichzeitig eine antiungarische Hetzkampagne gestartet hatte.
Auf Antrag des Ungarnverbandes schlichtete Präsident Constantinescu den Konflikt und löste damit die Regierungskrise. Er versprach/drohte, kein Unterrichtsgesetz abzuzeichnen, das den muttersprachlichen Hochschulunterricht nicht zuläßt. Aber auch Constantinescu ließ sich auf den im Grunde faulen Kompromiß ein: Geographie und Geschichte, so seine "feste Überzeugung", "müssen in rumänischer Sprache unterrichtet werden". Damit klopft der Präsident (bewußt oder unbewußt?) die antieuropäische Nationalideologie fest, die sich in den genannten Fächern ungestört seit Ceausescus Zeiten bewahrt hat. Der Kampf um die Unterrichtssprache von Geschichte und Geographie des Vaterlandes ist kein Nebengefecht, wie es der Präsident in seinem schlichtenden Ansatz darstellen mag. Es geht um den Kern des Erziehungskonzeptes: Entweder will man die Zulassung anderer Sprachen und anderer Meinungen über das Vaterland und im Vaterland oder man beharrt auf der nationalistischen Isolationsideologie.
Annemarie WEBER
Zurück zur Hauptseite der Hermanstädter Zeitung