HZ Nr. 1553/12.12.1997
Die greise Justina Fara zupft ihr Kopftuch zurecht und entschuldigt sich, daß sie keinen Rock über das bäuerlich lange Hemd gezogen hat. "Ich bin nicht mehr dazugekommen, die Fotografen wollten mich so haben." Die aus Ludus stammende Bäuerin kam am Mittwoch dieser Woche zu unerwarteter Berühmtheit. Die Hermannstädter Journalistengaben sich die Klinke ihrer Wohnung auf dem Kleinen Ring Nr. 26 in die Hand, um die Frau kennenzulernen, die das Pharmaziemuseum räumen lassen will.
Frau Fara hat das Haus auf dem Kleinen Ring, in dessen Erdgeschoß und Keller das Pharmaziemuseum eingerichtet ist, 1949 von Guido Fabritius gekauft - für rund 500.000 Lei, sagt sie. Fabritius sei "wie alle Sachsen damals" von Enteignung und Evakuierung bedroht gewesen. Deswegen habe er versucht, einiges von seinem Hab und Gut rechtzeitig abzustoßen. Gewohnt habe er damals - so Frau Fara - auf der Kleinen Erde in dem Gebäude, wo heute die Hilfsschule untergebracht ist, und als man ihn von dort hinausschmeißen wollte, habe er Gift genommen.
Die Faras besaßen eine große Bauernwirtschaft und eine Wollkämmaschine in Ludus, der Ehemann sei außerdem Geschäftsmann gewesen, so daß man sich ein altes Patrizierhaus im Zentrum von Hermannstadt mit einem Apothekengroßhandel im Erdgeschoß leisten konnte.
Doch auch die Faras hatten kein Glück mit ihrem frisch erworbenen Eigentum. Bevor sie davon Besitz ergreifen konnten, wurde Ion Fara an den Kanal deportiert, die Apotheke als Depot dem städtischen Spital angeschlossen und Mieter in den Stock gepfercht. "Erst 1971 sind wir mit Gewalt in unser Haus eingedrungen, als einer der Mieter verstorben war." Im selben Jahr wurden die Apothekenräume, in denen bereits zwei Jahre vorher nach umfassenden Restaurierungsarbeiten das Apothekenmuseum eingerichtet worden war, verstaatlicht - nach einem Dekret aus dem Jahre 1953.
"Sie haben uns drei Monate keine Miete gezahlt und uns dann einfach enteignet", sagt Frau Fara verbittert. Jetzt sollen sie sehen, wo sie bleiben. Das Haus gehört mir, und ich darf damit machen, was ich will! "Nanu, ihr ehemaliger Nachbarjunge aus Ludus, der derzeitige Kreisratsvorsitzende Nicolae Nan, habe ihr Mut gemacht, das Haus vor Gericht einzuklagen. Das Hermannstädter Gericht entschied, daß die Enteignung unrechtmäßig war und sprach das Haus Frau Fara zu. Die Stadt ging nicht in Berufung, ja sie versäumte es sogar, die Angelegenheit dem Nutznießer der umstrittenen Immobilie, dem Museum, zur Kenntnis zu bringen. So konnte Frau Fara ungehindert die Räumung beantragen. Heute, Freitag, sollten die Richter über den Räumungsantrag entscheiden.
Bis vor einer Woche wußte weder der Direktor des Naturwissenschaftlichen Museums, noch der Generaldirektor des Brukenthalmuseums, noch die Hermannstädter Öffentlichkeit etwas von dieser Gefahr. "Ich habe wie ein Mäuschen geschwiegen, bis das Haus nicht im Grundbuch wieder auf meinen Namen eingetragen war. Dann bin ich zu denen da unten gegangen und habe gesagt: Das ist mein Haus!". Das war im Juni diesen Jahres. Die Warnung wurde von den Angestellten des Museums nicht ernst genommen. "Die Frau kam uns immer feindselig, und solche Sprüche gehörten zur Folklore", sagt Gheorghe Ban, der Direktor des Naturwissenschaftlichen Museums. In einer Pressemitteilung beschuldigt er nun das Bürgermeisteramt (das den Staat in besagtem Prozeß vertrat) und den Stadtrat der Interesselosigkeit gegenüber einer sowichtigen öffentlichen Angelegenheit. ãUnser Apothekenmuseum ist einmaligin Rumänien, beschwor am Mittwoch dieser Woche Direktor Ban die Presse. Das wollten und mußten ihm die Journalisten wohl glauben, denn Ban hat bisher auffällig wenig Promotion für das ihm anvertraute Museumskleinod gemacht (im Gegenteil, er hat Journalisten und Wissenschaftler, die ihm unsympathisch waren, auf Distanz gehalten). Kein Wunder, wenn die meisten Hermannstädter und auch ihre Stadträte nicht wissen, was sie an dem unter den Laubengängen eher versteckten kleinen Museum haben. Ein Armutszeugnis für die Kustoden ist auch die Tatsache, daß Frau Fara beim Wort Museum nicht an die Kostbarkeiten denkt, die sie in ihrem Haus beherbergen darf, sondern nur daran, daß sie vom Museum enteignet wurde.
Die ersten, die sie gefragt haben, ob sie denn nicht an das Museum lieber vermieten oder verkaufen wolle, statt auf der Räumung zu bestehen, waren bezeichnenderweise nicht die Museumsleute oder die Stadtväter, sondern die Journalisten, die sie am Mittwoch besuchten.
Annemarie WEBER
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