HZ Nr. 1552/05.12.1997

"Julius Bielz" oder "Emil Sigerus"?

Im Hallerhaus in Hermannstadt wird ein sächsisches Volkskundemuseum eingerichtet / Die sächsische Gemeinschaft äußert Zweifel und Bedenken und bekrittelt den vorgeschlagenen Namen

Im Hallerhaus auf dem Großen Ring soll ein sächsisches Museum entstehen. Zumindest ist das der Wunsch von Corneliu Bucur, dem Direktorder unter dem Namen ASTRA firmierenden Hermannstädter ethnographischen Museen. Der ehrgeizige Museumsdirektor (und derzeit auch Senator der Demokratischen Partei) geht mindestens seit der Wende mit dieser Idee hausieren, die bislang in Hermannstadt auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Nun stellt Corneliu Bucur die Öffentlichkeit vor fertige Tatsachen: Unter dem weitläufigen ASTRA-Dach hat er das sächsische Ethnographie-Museum "Julius Bielz" gegründet und vier junge Mitarbeiter eingestellt, die das Museum aufbauen sollen.

Die Leiterin des vorläufig als Abteilung fungierenden Museums, Florentina Ittu, ist mit 32 Jahren die älteste von ihnen, was wohl der ausschlaggebende Grund dafür war, sie als Chefin einzusetzen. Denn mit der Materie ist die Rumänin aus der Dobrudscha, die in Bukarest Geschichte studiert hat, noch wenig vertraut. Sie muß sich auch noch das Deutsche und alles, was darin zur sächsischen Volkskunde veröffentlicht wurde, erarbeiten. Aber so ganz unbeleckt ist das Team nun auch wieder nicht. Gabriel Mãrginean (23) spricht und schreibt deutsch, er hat in Hermannstadt Geschichte studiert und bei Dr. Paul Niedermaier seine Staatsarbeit über die Kirchenburgen des Zwischenkokelgebietes geschrieben.

"Keiner hat mich so gelöchert wie er, ich beglückwünsche Sie, daß Sie ihn eingestellt haben!" so Niedermaier bei einem Rundtischgespräch, zu dem die Leiterin des Museums im Namen ihres Direktors vorigen Freitag Vertreter der deutschen Gemeinschaft einberufen hatte. Ohne gute und konzentriert arbeitende Fachleute sei das Projekt nicht konkurrenzfähig, so Niedermaier weiter, "die ethnographische Forschung im ASTRA-Museum ist um mindestens zwanzig Jahre zurückgeblieben", so das kritische Verdikt des Dr. Paul Niedermaier, der das Hermannstädter Institut für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie leitet. Er wies die Museumsdamen (Frau Ittu und ihre beiden Kolleginnen Ioana Oprisiu und Alina Câmpean) unter anderem auf das umfassende Dokumentationsprojekt des sächsischen Kulturgutes hin, das in Gundelsheim koordiniert wird.

"Brauchen wir denn überhaupt (noch) ein sächsisches Museum, wir hatten doch mal eines: das Brukenthalmuseum!?" Die provokative Frage stellte der Historiker und Journalist Manfred Wittstock. In das Brukenthalmuseum ging 1918 die große volkskundliche Sammlung von Emil Sigerus (1854-1947) aus dem von ihm gegründeten Karpathenmuseum ein. Bei der Nationalisierung und später seien die ursprünglich kompakten Sammlungen unter den verschiedenen Fachmuseen immer wieder aufgeteilt und damit zerrissen worden, "jeder nahm sich, was er wollte". Auf diese Weise seien heute die sächsischen Bauernmöbel im Besitz des ASTRA- Museums, die Patriziermöbel aber im Brukenthalmuseum, und ebenso habe man die Textilien geteilt. "Soll das nun so weitergehen?" fragte Wittstock. Eine rhetorische Frage, denn das "Julius- Bielz- Museum" ist ja nun eine fertige Tatsache.

"Warum gerade Julius Bielz?" Auch zur Namensgebung meldete Wittstock Bedenken an. Und da dieser Punkt noch als reparabel empfunden wurde, gingen die sächsischen Gesprächsteilnehmer (u. a. Dr. Paul Philippi, Dr. Thomas Nägler, Horst Klusch, Kurt Klemens) darauf ein und begrüßten Wittstocks Gegenvorschlag: Auf "Emil Sigerus" müßte das neu gegründete Museum umgetauft werden, auf den Namen dessen, der die volkskundlichen sächsischen Sammlungen begründet hat, auf die man nun aufbauen will. Julius Bielz (1884-1948) hat diese Sammlungen nur verwaltet, außerdem galt seine Liebe der Kunstgeschichte, während Sigerus Ethnograph war. Gegen Bielz spreche auch - so Wittstock -, daß er in den vierziger Jahren in der nationalsozialistischen Deutschen Volksgruppe Ämter bekleidet habe. (Was nicht stimmt!)

Und schließlich gab es einen Gegenvorschlag auch zu dem heute von zehn Parteien bewohnten Hallerhaus. Seine Anlage als Wohnhaus (viele und nicht sehr große Räume) läßt es als Museum weniger geeignet erscheinen als das sehr geräumige und vom Brukenthalmuseum mehr schlecht als recht verwaltete Schatzkästlein auf dem kleinen Ring - "obwohl wir uns natürlich die Restaurierung des Hallerhauses und seine Nutzung als Kulturraum nur wünschen können", so Dr. Thomas Nägler. Senator Bucur hat diesem Wunsch bislang allein, aber effizient entgegengearbeitet: Er veranlaßte die orthodoxe Kirche, dem ASTRA- Museum das Gebäude für 99 Jahre zu verpachten ("der orthodoxen Kirche wurde das Gebäude 1937 geschenkt", erläuterte Wittstock, als nämlich das Vermögen der abgewickelten sächsischen Nationsuniversität aufgeteilt wurde). Nun ist noch die Drecksarbeit zu erledigen, nämlich das Räumen des Hauses. Daß hier ebenfalls Bucur "den Hebel ansetzen muß", davon ist der DFDR- Vorsitzende Dr. Paul Philippi überzeugt. "Er muß unszeigen, wie wir ihm helfen können".

Bis das Hallerhaus soweit ist, wollen die Museumsangestellten nicht müßig sein. Im kommenden Juni veranstalten sie eine Emil- Sigerus- Ausstellung, und für den nächsten November bereitet Florentina Ittu eine große Kachelausstellung vor (mit dazugehörigem Katalog). Unterstützung soll dafür auch vom Kulturministerium kommen. Das versprach Carol König, der als Direktor im Minderheitendepartement des Ministeriums einen speziellen Minderheitenfonds verwaltet. Noch vor wenigen Jahren bezeichneten einige der sächsischen Bedenkenträger Bucurs Idee, im Hallerhaus ein sächsisches Museum einzurichten, als hochstaplerische Phantasterei. Die Erfolge, die der Museumsdirektor inzwischen auf allen Fronten verzeichnet, lassen sein Vorhaben heute durchaus realistisch erscheinen.

Annemarie WEBER

 

 

Zurück zur Hauptseite der Hermanstädter Zeitung


Dokument: ../hz/1552_3.htm, Letzte Änderung 22.01.98, Autor: Michael Kothen