HZ Nr. 1551/28.11.1997

Ein Diktatur-Museum für Hermannstadt?

Die geeigneten Räumlichkeiten sind die früheren Zellen der Securitate

Ein Dutzend Zellen liegen an rechtwinklig verlaufenden Gängen; eiserne Türen mit Riegeln, Klappen, Gucklöchern, durch die die Wärter in die Zellen spähen konnten; einzelne Glühbirnenrufen unheimliche Lichtstimmungen hervor, werfen Schlagschatten auf schmutzig weiße Wände.

Dies bekommt zu sehen, wer sich in den Keller des Gebäudes am Hermannstädter Victoriei-Boulevard (Nr. 10) begibt, wo im Obergeschoß das Universitätsrektorat seinen Sitz hat und im Parterre die deutsche Bibliothek ihre Leser erwartet. Der beschriebene Keller jedoch ist Gerümpel- und Möbellager der Universität und diente früher als Gefängnis des Sicherheitsdienstes, der Securitate.

Ein Ort, der wie geschaffen scheint für ein Museum der kommunistischen Diktatur. Braucht Hermannstadt ein solches Museum?

Acht Jahre nach dem politischen Umbruch ist wohl die Zeit gekommen, Vergangenheit "auszustellen", um auf diese Weise den Opferndes alten Systems ein ehren des Andenken zu bewahren und um der jungen Generation und ausländischen Reisenden Anschauungsmaterial zu bieten. Hermannstadt ist immerhin eines der touristischen Zentren des Landes (wer fährt schon nach Jilava oder Sighet!) und besitzt mit seinen sechs vorhandenen Museen bereits eine Vielfalt solcher Einrichtungen, die einer alten Kulturstadt würdig ist, der aber eine Bereicherung durch ein Museum der kommunistischen Diktatur gut zu Gesicht stünde.

Unter dem Dach der Universität wäre ein solches Museum nicht schlecht aufgehoben. Lehrkräfte und Studierende der Geschichte-Abteilung könnten beim Aufbau mitwirken oder Besucher durch die Sammlung führen.

Einige der Räume müßten entfeuchtet und beheizt werden, und zwar diejenigen, in denen Bilder und Texte präsentiert werden, wo Stimmen und Töne erklingen sollen (zu einem modernen Museum gehören ja auch "Klanginstallationen"), wo Bücher aufbewahrt und gelesen, wo Filme gezeigt und Vorträge gehalten werden sollen; die übrigen Räume sollten in ihrem Zustand belassen werden, damit Kühle und Feuchtigkeit ihren Teil zur Wirkung des Ortes auf die Besucher beitragen. Grundsätzlich gilt ja: Was man dokumentieren will, sollte man, wenn möglich, dort dokumentieren, wo es sich zugetragen hat; denn so läßt sich die dem Schauplatz des Geschehens eigene Ausstrahlung "nutzen".

Man denke etwa an die Gedenkstätte Plötzensee in Berlin, wo die Widerstandskämpfer des 20. Juli1944 hingerichtet wurden, und wo heute Besuchergruppen, darunter viele Jugendliche, sich von der kalten und düsteren Atmosphäre des Ortes anrühren lassen (sofern nicht an manchen Tagen das Gedränge der Besucherscharen dies verhindert). Man denke auch an Auschwitz, Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau, Theresienstadt, wo an Originalschauplätzen(oder, wie z. B. in Sachsenhausen, in original getreu rekonstruierten Gebäuden)´frühere Insassen vor Schulklassen Zeugnis ablegen von dem, was sie und andere erlitten haben. Freilich sind die überlebenden Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft alt, und in absehbarer Zeit wird es niemanden mehr geben, der noch aus eigener Erfahrung berichten kann. In den ehemaligen kommunistischen Staaten jedoch ist die Vergangenheit weniger weit entrückt. Im litauischen Vilnius ist unlängst die ehemalige Zentrale des sowjetischen Geheimdienstes in ein Museum umgewandelt worden, und ein früherer Häftling ist Fremdenführer. Käme es zur Einrichtung eines solchen Museums in Hermannstadt, wären eine Vielzahl von Problemen zu klären, die neben der Auswahl des Materials auch Geschmacksfragen beträfen: Sollte man beispielsweise die Eingekerkerten in den Zellen durch Wachsfiguren darstellen? Sollte man Musik "einsetzen", um die Wirkung zu verstärken? Die sachliche und engagierte Erörterung solcher Fragen fände an der Universität ihren angemessenen Ort.

Joachim STÜBBEN


Anmerkung der Redaktion:
Der Verfasser dieses Beitrags war mehrere Jahre DAAD-Lektor an der Hermannstädter Universität.


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Dokument: ../hz/1551_4.htm, letzte Änderung 23.12.97, Autor: Michael Kothen