HZ Nr. 1524/23.05.1997

Logis bei Stephan Ludwig Roth

120 ausgewanderte Meschner auf Nostalgiefahrt im Heimatort

Truchzappen und Baschbierch, Elesgass und Steppchen, Schnirch und Idem, Feoksel und Schämpes, Haberleken und Gedeis - an solchen Worten freute man sich zu Pfingsten in Meschen über die Maßen. Seit die meisten Meschner Sachsen in Deutschland schaffen und Worte wie Steuerbescheid und Fremdrente, Bewerbungsschreiben und Kündigungsfrist ihren Alltag bestimmen, sind die alten Hattert- und Gassennamen, die altertümlichen Begriffe und sächsischen Schimpfnamen so weit abgelegen in der Erinnerung wie der Heimatort selbst. Aber die Erinnerung ist Kein Hemmelts für altes Gerümpel, sondern eine lebendige Kraft die nach Wiedersehen und Wiedererleben drängt.

2.000 Kilometer fuhr der HOG-Vorsitzende Georg Schneider von Hannover nach Meschen, um das "erste Meschner Treffen in Meschen" zu organisieren und mitzuerleben. Rund. 120 ausgewanderte Meschner hatten sich ihm und seinem Vize, Georg Bretz (früher Kurator in Meschen) und Heinrich Bretz (Wellmann), angeschlossen und waren in den angemieteten Bussen oder dem eigenen PKW für eine Woche oder mehr heimgekommen. Für einige - etwa Familie Henning auf dem Anger oder die Familien Schneider auf der Mart - ist heimgekommen nicht ein Wort in Anführungsstrichlein, weil sie das Elternhaus bei der Auswanderung nicht verkauft haben. Aber auch etliche andere Ehepaare und Familien fanden Quartier in ihrem früheren Zuhause: bei den neuen Besitzern oder in anderen einmal sächsischen Häusern, wo heute über dem Bett die Ikone statt dem Siebenhürgenspruch hängt.

Ce bine ca au mai venit odata oamenii nostri! Wie gut, daß unsere Leute noch einmal hergekommen sind! Diesen freudigen Spruch zur Begrüßung hörte man allenthalben, und es gab spontane Umarmungen zwischen Leuten, die sich früher höchstens höflich Guten Tag gesagt hatten. Über dem mit frischem Laub geschmückten Eingang zum Gemeindesaal stand zweisprachig Bine ati venit in Iocurile natale - Herzlich willkommen in der alten Heimat! Drinnen waren am Pfingstsonntag und Pfingstmontag die Festtafeln für 180 Gäste gedeckt (darunter auch Meschner aus Mediasch, Sankt Martin, Bukarest, Kronstadt und Hermannstadt). Marianne (Mane) Fodorean, die Burghüterin und Kirchenkuratorin, hatte das Küchenregiment übernommen, und die Gemeinderatssekretärin Emilia Roba trug mit ein paar anderen Frauen aus dem Dorf die dampfende Nudelsuppe auf, genauso wie es früher die sächsischen Frauen getan hatten. Zu den am meisten applaudierten Ehrengästen gehörte der ehemalige Kolleltivpräses und Bürgermeister Ioan Prisca, einer der schont früher gern sächsisch redete, Prisca faßte zusammen, was man sich heute im Dorf nicht ohne Stolz über die oamenii nostri erzählt: "Wenn wir etwas bauen mußten, brauchten wir keine Architekten aus der Stadt zu holen, wir hatten unter unseren Sachsen die besten Baumeister, und wir hatten unter ihnen ebenso die besten Weinbauern; Gärtner, Viehzüchter, Getreidebauern wid Handwerker und konnten dadurch vieles selber machen, ohne Geld dafür auszugeben."

Auf dem Hattert, der im Besichtigungsprogramm mit eingeschlossen war; vom Seddefaddem bis zum Millereech, gibt es viele brachliegenden Felder: die mechanischen Arbeiten kosten viel, das Bargeld ist bei den meisten Kleinbauern knapp. Auch der sächsische Landwirtschaftsverein "Stephan Ludwig Roth" wirtschaftet knapp über den roten Zahlen und setzte doch seinen Ehrgeiz darein, das Gastgeschenk, einen emaillierten Teller mit Meschner Siegel, mitzusponsern. Die Fleißigen im Ort - Rumänen, Zigeuner, wenige Ungarn - schimpfen, wie ihre sächsischen Vorgänger früher, über das "elende Volk", das nur stiehlt und die eigenen Ackerteile verdisteln läßt. Die Gier nach Gewinn ohne Arbeit hatte nur eine Woche vor Pfingsten zu einem grausigen Verbrechen geführt. Für 300.000 Lei hatten drei Meschner einen Ortsfremden umgebracht und die Leiche auf dem evangelischen Friedhof versteckt. Noch sichtbare Tretspuren im hohen Gras erinnerten die Pfingstgesellschaft, die am Montag im geschlossenen Zug zur Totenehrung auf den Friedhof ging, an das grausige Verbrechen.

Doch nicht Mord und Totschlag, Chaos und Zerstörung prägen das heutige Meschen. Die Neubewohner der sächsischen Häuser versuchen, die alten Gebäude zu erhalten, sogar die sächsischen Giebelsprüche wurden nur in den seltensten Fällen entfernt. Unlängst ist neben der Kirchenburg das Haus vom Pradijer Hans zusammengerumpelt, als es die neuen Besitzer renovieren wollten. Es sind, wie Mane, die Burghüterin weiß, deutsche Evangeiumschristen, die hier ein kleines Heim für Straßenkinder einrichten wollen. Im stehengebliebenen Hinterhaus wird zügig gearbeitet, die Burghüterin, die auch Gemeinderätin und Kirchenkuratorin ist, hat hier für einige der in Meschen verblieben Sachsen, etwa die kinderreichen Schwestern Seiwerth aus der Burggasse gut bezahlte Arbeitsplätze finden können.

Was wären die Meschner ohne die Mane 1991, als HOG- und Nachbarschaftsvorstand in Deutschland von dem auswanderungswilligen Meschner Kirchenkurator Hans Schneider um Rat und Hilfe gebeten wurden, beschloß man, Mane als Burghüterin einzustellen. Später wurde ihr auch die Friedhofsfürsorge übertragen und auch die Leitung des Gästehauses, das ebenfalls auf Initiative des HOG-Vorstandes im Pfarrhaus eingerichtet wurde. Daß alles bestens gelang, dafür sorgte auch Hugo Schneidet der Initiator des Meschner Landwirtschaftsvereins und des Mediascher Kirchenburgen-Schutzvereins und vor allem ein richtiger Wirt und würdiger Gastgeber, sei es jetzt für die Pfingstgäste oder im letzten Sommer für die Teilnehmer an der Stephan-Ludwig-Roth-Feier.

Im Pfarrhaus, wo jetzt über 30 ausgesiedelte Meschner Quartier fanden, zog, vor 150 Jahren der Pfarrer Stephan Ludwig Roth mit seiner Familie ein, und von hier wurde er zwei Jahre später verhaftet, um in Klausenburg hingerichtet zu werden. Zwei Gedenktafeln am Pfarrhaus und an der Schule erinnern an den Pfarrer und Volkserzieher Roth, die Platte am Pfarrhaus wurde jetzt enthüllt. Nicht nur die Meschner Sachsen sind heute stolz auf Stephan Ludwig Roth. Für den Meschner Geschichtslehrer Ion Sotropa (ein Rumäne aus der Bukowina) ist es eine Ehre, in der gleichen Schule und in nächster Nähe der Kirche und des Pfarrhauses zu wirken, wo früher Roth seine Ideen von der nationalen Gleichberechtigung der Rumänen entwickelte und bereit war, dafür sogar zu sterben. Sotropas Schüler wissen mehr als so mancher Meschner Sachse . über Roth oder auch über die scherbenreiche Frühgeschichte der Ortschaft und die Zünfte aus mittelalterlicher Zeit - der Historiker und Schuldirektor hat in vielen Schaukästen im Geschichtekabinett und auf dem geräumigen Korridor des vom Hermannstädter Architekten Hans Eder Anfang des Jahrhunderts entworfenen Schule ein kleines Meschner Museum eingerichtet, dessen Platz, weil es wächst, er nun lieber in der Burg sehen würde, wo die Touristen sowieso hingehen.

Beim Besuch in der Schule konnte einem wehmütig werden ums Meschner Herz. Wann war diese Schule je so gut ausgestattet - auch mit Physik- und Geographiekabinett, mit verschiedenen Werkstätten, einer Schneiderei für die Absolventinnen der 8. Klasse im ehemaligen Internat, mit geteertem Sportplatz, funktionalen Wasserspülklos in beiden Schulgebäuden usw.!? Und wann waren je die Schüler - 163 kleine in der "Staatsschule" und 150 große in der "deutschen" Schule, so wenig aggressiv, laut und frech wie jetzt, wo fast nur rumänische und Zigeunerkinder eingeschult werden? Sotropa und sein Lehrerkollegium (dazu gehört auch Bürgermeister Lörinczi Ludovic) gehören sicher zum Besten, was sich die Meschner für ihre Heimatgemeinde wünschen konnten. In diesen Ort, der keinesfalls von allen guten Geistern verlassen ist, zurückzukommen, macht gewiß auch ein nächstes mal Spaß. Vielleicht auch der diesmal nur spärlich erschienenen Jugend. In Meschen gibt es außer dem Glater, der Orgel und dem Speckturm, dem Grab der Großmutter oder dem Elternhaus noch viel zu entdecken. Wie wäre es mit dem heute überwucherten Tanzplatz af den Baschbierch?

Annemarie WEBER


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Dokument: ../hz/1524_2.htm, letzte Änderung 21.12.97, Autor: Michael Kothen