HZ Nr. 1522/09.05.1997
Vom 9. bis 11. Mai fand in Thalheim bei Hermannstadt das erste, von der Gruppe Schola Septemcastrensis des Hermannstädter Jugendforums veranstaltete Seminar zur Volks- und Landeskunde Siebenbürgens statt. Das Thema lautete: "Siebenbürgen und seine Nationen im Mittelalter und in der Neuzeit". Es ging darum, für die jugendlichen Teilnehmer den Nationsbegriff im Mittelalter und in der Neuzeit zu klären.
Einleitend beschrieb Gerhard Möckel (Hermannstadt) ein Kuriosum des so vielfältigen ethnisch-konfessionellen Spektrums Siebenbürgen: die "Sabbatarier" aus dem Szeklerland. Ursprünglich eine von den antitrinitarischen Unitarier abgesplitterte Gruppe, lehnten sich die Sabbatarier immet stärker an das Judentum an, bis sie., vom Ursprung eigentlich SzeKler, im 19. Jahrhundert auch völkisch im Judentum aufgingen. Die tragische Konsequenz dieser Entwicklung: Sie fielen in unserem Jahrhundert der nationalsozialistischen Judenverfolgung zum Opfer.
Edit Szegedi (Klaussenburg) hielt einen gründlich dokumentierten Vortrag über "Konfessionalismus und Nation im Mittelalter in Siebenbürgen". Zur Sprache kam ein interessanter Aspekt, nämlich. daß im Mittelalter brisante Glaubensfragen gewöhnlich zu einem Politikum wurden, da aus ihnen eine Umstellung des Gesellschaftsgefüges hervorgehen konnte. Es folgte Rudolf Poledna (Klausenburg) mit dem Bericht "Wie sehen sich die siebenbürgischen Nationen untereinander? Ergebnis einer Umfrage". Die Umfrage war im Jahre 1995 in Schäßburg und in Birthälm vorgenommen worden. Alexander Sonoc (Hermannstadt) brachte sodann "Beiträge zur Entstehung der Nationalitäten in Mitteleuropa und Siebenbürgen". Er erläuterte, wie die Entwicklung der verschiedenartigen Interessengruppen gegen Ende des 18. Jahrhunderts die nationale Identität als soziales Unterscheidungsmerkmal hervorgebracht hat.
Bei einer Gesprächsrunde zum Thema "Siebenbürgen - ein Multikultiland?" konnten die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten vertieft werden. Man kam zur Schlußfolgerung, daß es in Siebenbürgen nicht nur ein multikulturelles Nebeneinander, sondern auch ein interkulturelles Miteinander gibt.
Das Abschlußreferat über "Siebenbürgisch-sächsische Kontinuitätstheorien" hielt Winfried Ziegler (Hermannstadt). Manches von dem, was er vorbrachte, war ein Anlaß zum Schmunzeln. Zum Beispiel haben die Siebenbürger Sachsen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert allen Ernstes daran geglaubt, sie seien die Nachkommen der Geten und Goten.
Kurzum, es gab interessante und hochkarätige Referate in diesem ersten Seminar der Schola, Septemcastrensis und es gab auch das richtige Umfeld im schönen Thalheimer Pfarranwesen (als Christliches Begegnungszentrum vom Lehrerehepaar Ingeborg und Ernst Seidner eingerichtet) zum zwanglosen Kennenlernen und zum gemütlichen Beisammensein. Die Auswertungsrunde zeigte dann auch ein ziemlich positives Echo, so daß schon die nächste Tagung ins Auge gefaßt wurde: für den Monat Oktober, voraussichtlich zum Thema "Kleidung und Gesellschaft in Siebenbürgen".
Abschließend sei dem Departamentul judetan pentru tineret si Sport gedankt, dessen finanzielle Unterstützung diese Tagung ermöglichte.
Hans-Georg JUNESCH
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