HZ Nr. 1520/ 18.04.1997


Agrarmärkte im Ungleichgewicht

Die Aussichten in der Landwirtschaft nach der Preisfreigabe und der Streichung der Subventionen

Mitte Februar 1997 sind die staatlichen Preisbindungen und das Subventionsgeflecht aufgehoben worden. Ein gravierender Einschnitt insbesondere auch unter sozialen Aspekten. Das Festhalten am Status quo hätte als vermeintlicher Realismus leichter Zustimmung bei der Bevölkerung gefunden. Die Zukunft hätten wir damit aber nicht gewinnen können. Der Weg bis zum realistischen Marktgleichgewicht wird steinig sein, denn die Preise und damit die Kosten entwickeln sich zur Zeit gleichzeitig im Höhenflug und im freien Fall. Kurzfristige Irritationen dürfen jedoch nicht zur Leitlinie für langfristige Entscheidungen in den landwirtschaftlichen Betrieben werden, Die Devise lautet: Ruhe bewahren und abwarten.

In der Pflanzenproduktion haben die Betriebe derzeit die größten Probleme, obwohl die Getreidepreise in Rumänien höher als in Westeuropa bzw. auf dem Weltmarkt sind. Diese Situation wird mit Sicherheit nicht von Dauer sein. Die Verkaufspreise - in Valuta bewertet - werden sinken. Leider haben nur wenige Betriebe noch Getreide zu verkaufen. Die von uns bereits im Jahre 1992 empfohlene Einrichtung von Getreidelager-Kapazitäten (leerstehende Viehställe lassen sich mit geringen Kosten und ohne BMI-Mittel zu Getreidelagern umfunktionieren) hätte sich alleine in den letzten sechs Monaten bezahlt gemacht. Der herrschende Getreidemangel verspricht auch in der nächsten Zeit hohe Preise, mindestens auf dem Niveau von Westeuropa. Die staatlichen Reserven werden heute mit 1.040 Lei je Kilogramm, d.h. umgerechnet gut 25 DM je Dezitonne auf den Markt geworfen. Das kann nur die Brotpreise etwas stabilisieren. Die Getreidepreise werden sich erst dann normalisieren können, wenn eine gute Getreideernte eingefahren werden wird. Dann kommt es für den Einzelbetrieb darauf an, so viel wie möglich einzulagern, um es kontinuierlich zu vermarkten. Das ist eine sichere Methode, um. den Einfluß der Inflation zu mindern und gleichzeitig die Liquidität des Betriebes zu verbessern.

Die Kartoffelpreise kommen aus dem Keller nicht heraus. Selbst im Vergleich mit den westeuropäischen Preisen sind sie nicht akzeptabel, wenn man den aktuellen Wechselkurs rechnet. Die Preise ab Hof in Höhe von ca. 400-500 Lei/kg - wenn überhaupt verkauft werden kann - decken in manchen Betrieben nur zur Hälfte die Produktionskosten. Es fehlt die Kaufkraft der Bevölkerung. Auch die Pflanzkartoffeln sind nicht abzusetzen. Das ist ein Indiz dafür, daß die Kartoffelanbauer aus Geldmangel kein neues Saatgut kaufen und wahrscheinlich Pflanzgut aus der letztjährigen Ernte nehmen. Dann wäre eine schlechte Ernte schon vorprogrammiert. In den vorangegangenen Jahren haben die Kartoffelbauern jedoch überdurchschnittlich gut verdient. Dieses magere Jahr verleitet zur Reduzierung der Anbaufläche. Geschieht das, wird das Angebot knapper, und die Preise stehen wieder in Relation zu den Produktionskosten. Das ist Marktwirtschaft.

Mittelfristig interessanter wird die Tierproduktion (Rinder- und Schweinehaltung). Zur Zeit rechnet sich zwar die Schweinemast schlecht. Wer heute einen Deckungsbeitrag (Erlöse minus variable Kosten) von Null erreicht, ist schon gut dran. Seinen eigenen Lohn für die eingesetzte Arbeit erhält er damit aber noch nicht. Die Erlöse müssen heute mindestens 7.000 Lei je kg Lebendgewicht erreichen, Das Angebot ist in bezug auf die aktuelle Kaufkraft der Bevölkerung zu hoch. Die Schlächtereien können deshalb nur zu sehr niedrigen Preisen an die Geschäfte weiterverkaufen, weil die Verbraucher nicht genügend Geld haben, So sind zum Beispiel die Ladenpreise für Kotelett ohne Knochen seit Mitte Februar von 35.000 Lei/kg auf unter 25.000 Lei/kg heute gesunken.. Daher die Preismisere aus der Sicht des Produzenten. Das Angebot wird in den nächsten Wochen sinken, wenn der Ausverkauf der großen Staatsbetriebe abgeschlossen ist. Wer dann gute Qualitäten, d. h. fleischreiche und fettarme Schweine anzubieten hat, der wird gute Preise erzielen und positive Deckungsbeiträge verbuchen können. Auf keinen Fall wäre ein Ausstieg aus der Schweineproduktion zu empfehlen.

Interessant sind die Beobachtungen im Betriebszweig Ferkelerzeugung. Nahezu unabhängig von den in den letzten zwölf Monaten verzeichneten Marktkonstellationen war die Ferkelerzeugung immer rentabel. Es ist jedoch zu erwarten, daß die Ferkelpreise in Zukunft von den Schlachteschweinepreisen immer stärker beeinflußt und damit größeren Schwankungen ausgesetzt sein werden. Auch hier gilt dann: Weiterproduzieren, um in den Hochpreisphasen ein genügendes Angebot zu haben.

Die Milchviehhaltung gerät langsam aber sicher in die Rentabilitätszone. Die Konkurrenz der Molkereien, die um den knappen Rohstoff Milch kämpfen, haben die Erzeugerpreise nach oben getrieben. Zur Zeit werden 1.200 bis 1.500 Lei je kg ab Hof bezahlt, Ein Ende des Preiskampfes ist noch nicht abzusehen, ein Vorteil für den Milchviehhalter. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, in leistungsfähige Rinder zu investieren! Am besten sind Importe von tragenden Jungrindern mit Abstammungs- und Leistungsnachweis aus Deutschland und Österreich. Sie sind zwar mit 2.000-2.300 DM recht teuer, aber aufgrund Ihrer hohen Leistungen bei den hiesigen Milchpreisen rentabel. Wer bereits einen Kuhbestand hat, der sollte für ein Importrind zwei alte Kühe verkaufen. Dann muß er nur noch ca. 500 Mark zulegen. Durch diese Maßnahme kann er nachhaltig die Rentabilität der Milchproduktion steigern.

Generell kommt es für die Erzeuger darauf an, die besten Angebote, die der Markt bietet, zu nutzen. Wenn z.B. die Differenz der Ankaufspreise konkurrierender Molkereien innerhalb einer Region teilweise über 300 Lei/kg Milch ab Hof beträgt und Schlachtschweinepreise zwischen 5.000 und 7.000 Lei/kg Lebendgewicht am Markt festzustellen sind, dann hat der Produzent die besten Marktchancen, der am besten informiert ist. Der Produzent darf also nicht einfach nur an den nächstbesten Käufer abliefern, sondern er sollte aktiv verkaufen, indem er mit verschiedenen Abnehmern um die Preise handelt. Aber handeln kann man nur, wenn man gut Informiert ist, wenn man die Preise genau kennt.

Dr. Ernst HARMS



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Dokument: ../hz/1520_6.htm, letzte Änderung 29.01.98, Autor: Michael Kothen