HZ Nr. 1520/ 18.04.1997


Herkömmlich und bekömmlich

Orgeleinweihung in Sankt Martin/Tarnaveni

Es gibt Gemeinden, die nicht auf eine acht Jahrhunderte alte Tradition zurückblicken, und die erst recht mit gestandenen Gemeinden Schritt halten können. In Sankt Martin haben dreiundachtzig evangelische Seelen am vergangenen Sonntag während des Gottesdienstes feierlich die neue Orgel ihrer Bestimmung übergeben.

Das Positiv mit sechs Registern stammt aus Haschagen, einer geschrumpften Gemeinde des Hermannstädter Kirchenbezirks. Dort hatte es der Gemeinde eineinhalb Jahrhunderte gedient Hergestellt worden war es in der Werkstatt des Johann Mätz.

Der junge Orgelbauer Albert Jozsef aus Klausenburg, der drei Jahre lang in Frankreich dieses vornehme Handwerk erlernt hatte, nahm sich der Arbeit an. Er kleidete die Orgel ab, beförderte sie nach Sankt Martin und intonierte sie von neuem, indem er den Überschwang einiger Register drosselte. Das ganze Unternehmen kostete die Gemeinde etwas über zwei Millionen Lei. Das Geld stammte aus Sachspenden, die veräußert wurden, deren Ertrag angelegt und schließlich für diese Anschaffung ausgegeben wurde. "Hilfe zur Selbsthilfe" erläuterte Dechant Reinhard Guib, der in seiner Festpredigt, die er über den 23. Psalm hielt, den Tenor der Freude und des Dankes in der musischen Anhäufung von Darbietungen mitschwingen ließ. Der Mediascher Stadtkantor Erich Türk brachte das Instrument mit kundiger Hand zum Klingen. Seine künstlerischen Einlagen sollten der Orgel verhelfen, von neuem Seele zu versprühen. Die Choräle, die gesungen wurden, waren aber altes andere als Schwanengesang. Und die Tränen in den Augen der Haschager Kuratorin Juliana Holom-Sander sollten bei der Übergabe der Orgel den Abschiedsschmerz zwar nicht niederkämpfen, vielmehr sollte die Freude darüber aufscheinen, daß das Herz der Haschager jetzt in den Seelen derer von Sankt Martin weiterlebt.

Kurator Egon Schneider verband in seiner Rede den Dank mit der Verpflichtung zu unermüdlichem Aufbau der Gemeinde, und sein Bruder, Bezirkskurator Hugo Schneider, beschwor den edelsten Dienst der Gemeinde, der im Lob Gottes liegt, ohne den die Gemeinde Jesu Christi verkümmern muß.

Das hervorragende Festessen förderte das Gefühl der Zusammengehörigkeit auf herkömmliche, aber auch auf bekömmliche Weise.

Walther G. SEIDNER



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Dokument: ../hz/1520_2.htm, letzte Änderung 29.01.98, Autor: Michael Kothen