HZ Nr. 1514/ 07.03.1997

Von der Ohnmacht des Gesetzes

Die Zigeuner bauen auf Stadtgrund, und der Stadtrat kann sich dagegen nicht wehren

 

Es gibt in Rumänien allgemein in Siebenbürgen besonders und in Hermannstadt speziell nicht viele Leute, die Zigeuner mögen. Die Stadträte von Hermannstadt machen da offenbar keine Ausnahme. Aber keiner von ihnen will als erster den Stein gegen seine anders nationalen Nachbarn aufheben. Worum geht es?

Es gebt um die von Zigeunern illegal in Neppendorf und. am Fuße des Viadukts an der Leschkircher Straße (postamtuch: Rampa Stefan cel Mare) errichteten Häuser. Illegal sind sie deswegen, weil sie ohne Bau- und sonstiger Genehmigung und zum Teil nicht einmal auf eigenem, sondern auf fremdem, nämlich städtischem Grund errichtet wurden. Hinzu kommt, daß es sich nicht um Hütten oder Häuser, sondern teilweise um Villen und geradezu Paläste handelt, die dem neidischen Normalbürger vorgaukeln wo sich der Wohlstand aus sieben Post-Wende-Jahren angesammelt hat - nicht bei ihm, sondern dort, wo er das untere Ende der sozialen Leiter wähnte.

Und das ist die Geschichte dieser Bauten, die im Jahre 1993 - also vor vier Jahren - begonnen hat, als drei Zigeuner-Brüder namens Mihai in der Nähe des Leschkircher-Straße-Viadukts und ihr Verwandter (der inzwischen verstorbene "König aller Roma") Ion Cioaba in Neppendorf auf einer wilden Mülldeponie hinter der Bahnlinie zu bauen anfingen - die ersten teilweise, der letzte ausschließlich auf Stadtgrund und alle miteinander ohne jemand überhaupt gefragt zu haben, am allerwenigsten ein städtisches Amt.

Das fuchste denn auch den Stadtrat, und der ging vors Gericht. Dasjenige befand noch im Verlauf des nächstfolgenden Jahres 1994, das die Bauten von Cioaba und Mihal & Co. Illegal seien. Das Urteil war noch im selben Jahr definitiv und hätte Vollstreckt werden können. Das heißt, die Häuser hätten abgerissen werden müssen. Was aber bis auf den heutigen Tag nicht geschehen ist.

Als der Stadtrat - der neue, im Frühsommer 1996 gewählte - diese Gesetzesmißachtung feststellte, machte er erst einmal einen Rückzieher und bot den Mihais (Bauplatz LeschkircherStraße-Viadukt) an, ihre Häuser könnten legalisiert werden, wenn eine der Holzhütten und ein Warenlager, die dort noch stehen, abgerissen und sie alle ihre Bauarbeiten in der Gegend stoppen würden. Die Zigeuner unterschrieben zwar diese Kompromißlösung, hielten sich aber nicht daran. Daraufhin bockte auch der Stadtrat.

In den letzten Monaten sind weitere zwei Häuser hinzugekommen und ein drittes befindet sich im Rohbau. Der neue Bürgermeister verlangte im September 1996 erneut die Vollstreckung der vorhandenen Abrißurteile Da er wußte, daß das Gericht nicht genug Gerichtsvollzieher und die Stadt nicht genug Geld für den Abriß hat, forderte er die Zigeuner auf, sie sollten ihre Bauten bis zum 21. Februar 1997 selbst abreißen Was natürlich nicht geschah.

In der Stadtratssitzung vom 24. Februar kam die unverzügliche Vollstreckung der Urteile noch einmal aufs Tapet. Der Vorsitzende des Bauausschusses, Teodor Ancuta, sagte klipp und klar, daß die Rathausinspektoren in diesem Fall ihre Pflicht nicht erfüllt hätten; sie hätten von den Bauarbeiten von aller Anfang an gewußt und hätten sie stillschweigend geduldet. Ancuta forderte den Bürgermeister auf, eine Volksbefragung zu veranstalten, um die Meinung der Bevölkerung zu erfahren: Soll demoliert oder legalisiert werden?

Nach der Stadtratssitzung erklärte der Pressesprecher des Bürgermeisters: "Die Gebäude wenden abgerissen, wenn wir wissen, welchen finanziellen und personellen Aufwand das erfordert. Die Gebäude müssen nämlich so abgerißen werden, daß die Baumaterialien wiederverwendet werden können."

Der Jurist des Stadtrates, Florin Albulescu, ist für einen Kompromiß: Der bebaute Stadtgrund solle den Zigeunern per Konzession überlassen werden, und diese sollten als Gegenleistung die zwischen ihren Palästen und den Wohnblocks in der Nähe des Sammelbeckens der Wasserstation enstandenen Schopfen und Lagerhallen abreißen. Er sagte den. Zigeunern selbst, sie sollten die zum Abriß verurteilten Häuser selber abreißen, dann hätten sie eine Chance, daß das Abrißurteil eventuell rückgängig gemacht wird. Das hat einer der drei Mihai-Brüder kapiert und am vorigen Freitag eine Lagerhalle demonstrativ abreißen lassen.

Warum werden die Abrißurteile nicht vollstreckt? Nun, ganz einfach: In ganz Hermannstadt gibt es nur drei Gerichtsvollzieher, und die haben alle Hände voll zu tun. Und noch etwas: Mit bloßen Händen können sie die Bauten nicht abreißen. Es braucht Arbeiter und Bulldozer und natürlich Geld. Aber wie sähe das aus, wenn die Stadt plötzlich Geld für Abrißarbeiten hat, aber seit fünf Jahren nicht imstande ist den Neubau des Bürgermeisteramtes fertigzustellen? Und noch etwas: Hätte es sich nicht um die Häuser von Zigeunern gehandelt, wäre die Sache längst begraben gewesen. Schließlich hat auch der Nachrichtendienst SRI im Hof des Staatsarchivs, also mitten in der denkmalgeschützten Altstadt ohne die Bewilligung des Denkmalamtes gebaut, und kein Hahn hat danach gekräht.

 

Beatrice UNGAR

 

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Dokument: ../hz/1517_3.htm, letzte Änderung 29.01.98, Autor: Michael Kothen