HZ Nr. 1511/ 14.02.97

Bald raus aus dem Müllnotstand

Ökologische Mülldeponien sollen den ganzen Kreis sauberhalten

Kaum ein kommunales Thema erregt die Gemüter der Hermannstädter heute so sehr wie der Müllnotstand in der Stadt. Nicht nur der Dreck allenthalben, die mehr schlecht als recht funktionierende Müllabfuhr und die überquellende Halde beunruhigen die Bürger, ihr Ärger wurde durch überstürzte, konzeptlose Entscheidungen des Stadtrates und die derzeitige Autoritätskrise im Bürgermeisteramt noch zusätzlich angeheizt Die Situation scheint völlig Verfahren, und doch gibt es Hoffnung. Sie kommt aus dem Kreisrat und ihr Gegenstand ist ein globales Entsorgungskonzept für den Kreis Hermannstadt.

Der von langer Hand vorbereitete und jetzt in einer Studie vorliegende Plan sieht den Bau von sechs (Variante A) bzw. zwölf Mülldeponien (Variante B) auf dem Kreisgebiet vor, die in der Nähe der "Ballungszentren" (Hermannstadt, Mediasch, Elisabethstadt Agnetheln, Freck, Reußrnarkt) plaziert werden sollen, so daß sie von den umliegenden Ortschaften bequem erreicht werden können. Ziel des Projektes, das der stellvertretende Kreisratsvorsitzende Nicolae Cosma bereits in der vergangenen Legislaturperiode angeregt und seither beharrlich betrieben hat ist es, den Kommunen ökologische Deponiemöglichkeiten zu bieten, so daß der Haus- und Gewerbemüll, der Bauschutt und der Sperrmüll nicht mehr am Straßenrand und am Bachufer landen müssen, sondern möglichst sauber entsorgt bzw. abgelagert werden können. Die Erarbeitung der Studie wurde bei dem heute privaten Project-Institut in Auftrag gegeben, das man als Partner noch aus der Vorwendezeit zu schätzen weiß, als es das einzige für Zivilbauten zuständige Bauplanungsinstitut des Kreises war. Um mit den zeitgemäßen ökologischen Ansprüchen und den neuen Technologien auf dem laufenden zu sein, "haben wir die Hermannstädter Entwurfsfachleute ins Ausland mitgenommen", so Nicolae Cosma. Und ebenfalls aus dem Ausland - aus Deutschland- kommt ein wichtiger Mitarbeiter am Projekt, der in Öko-Ingeneering spezialisierte Dr. Markus Luther, der zusammen mit Oswald Wächter, einem pensionierten Analytiker der Hermannstädter Umweltagentur, den wichtigsten Teil der Studie - die Erhebung der derzeitigen Müllsituation im Kreis Hermannstadt, ihre voraussichtliche Entwicklung in den nächsten 15 Jahren und die Vorschläge zu ihrer Lösung - erarbeitet hat. Während sich Bukarest ein teures Gutachten aus Japan geleistet hat setzte der Hermannstädter Kreisrat auf die lokalen Kräfte, nicht nur weil sie bezahlbar sind, sondern auch, "weil wir es satt haben, von irgendwelchen Bukarester Instituten abhängig zu sein oder von sonstigen teuren Gutachtern, deren Studien kolossal sind, aber nicht realisierbar", so der stellvertretende Kreisratsvorsitzende. Die Abfallstudie für den Kreis Hermannstadt wurde in der Zeitspanne April bis Dezember 1996 erstellt. Sie basiert auf demographische Daten, die die Präfektur zur Verfügung gestellt hat und - so Oswald Wächter - auf Erhebungen der Hermannstädter Umweltagentur nach Angaben des Entsorgungsunternehmens Getesib. Die Gutachter geben zu daß sie wenig exakte Daten zur Verfügung hatten und mehr oder weniger auf Schätzungen angewiesen waren.

Keine relevanten Daten hatten sie über die Industrieabfälle, die Klärschlämme und den Bauschutt. Auch die Analyse des Hausmülls (aus den Mülltonnen von Getesib) kann als eher grob bezeichnet werden: Es fehlen Angaben über den Anteil der Problemstoffe (Batterien, Altfette, Altmedikamente, Farb- und Lackreste usw.), ebenso kommt der SperrmülL überhaupt nicht vor, der in Form von Kühlschränken, Fernsehröhren, Bettruinen usw. ebenfalls, wenn auch meist wild abgekippt, auf der Müllhalde landet. Wichtig war den Autoren jedoch, daß das Projekt möglichst bald umgesetzt werden kann, so verzichteten sie auf große analytische Genauigkeit zugunsten einer zügigen Planung. Angesichts der prekären Finanzsituation der Kommunen, raten die Autoren von kostspieligen Projekten (etwa Müllverbrennungsanlagen) ab und bevorzugen die Allesschlucker-Deponie, mit oder ohne Sortieranlagen, je nach Möglichkeit.

Die Mülldeponien sollen die nächsten fünfzehn Jahre ihren Dienst tun, wobei sie den jetzigen Gepflogenheiten der Bevölkerung (fehlende Bereitschaft zur Mülltrennung) Rechnung tragen und ebenso den jetzigen Entsorgungsstrukturen (kein funktionierendes Wiederverwertungssystem). Die Gutachter schätzen, daß die derzeit 448.000 Einwohner des Kreises Hermannstadt die jetzt 130.000 Tonnen Müll im Jahr produzieren in fünfzehn Jahren auf 490.000 Personen angewachsen sein werden und dann 215.000 Tonnen Abfall im Jahr erzeugen werden. Rund 2 Millionen Tonnen Abfall müssen die 6 bzw. 12 Deponien dann insgesamt fassen müssen. Das ist ein Maximalwert, der nach den jetzigen Gewohnheiten berechnet wurde - in der Stadt wird alles weggeschmissen, so gut wie nichts wird separat gesammelt und wiederverwertet, während auf dem Dorf verrottbare Abfälle kompostiert werden.

Die Deponien werden nach unten hin abgedichtet sein, so daß eine Verschmutzung des Grundwassers vermieden wird, die Deponieabwässer sollen aufgefangen und bei den großen Deponien (Variante A) vor Ort geklärt werden, bei den kleinen Deponien in Becken gesammelt und zu einer zentralen Kläranlage transportiert werden. Jede Lage Müll bekommt eine mindestens ein Meter dicke Abdichtschicht aus Erde. Die bei der Gärung entstehenden Gase (die bei unseren jetzigen wilden Deponien zu den giftigen Schwelbränden führen) werden durch ein Rohresystem abgeleitet. Freilich wird allein der Bau der für den Raum Hermannstadt geplanten Großdeponie "mehr kosten als das gesamte Jahresbudget des Kreisrates", so Cosma. Deshalb müssen die Kommunen potente Betreiber finden, die eine solche Investition mittragen können. "Der Kreisrat wird eventuell Assozierungsverträge mit ausländischen Entsorgungsfirmen eingehen, die ein ganzes Gebiet abdecken können und an der Ausbeutung der Deponie interessiert sind .Anwärter gibt es schon."

Und wo sollen die neuen Deponien zustehen kommen? Für den Raum Hermannstadt (der von Reußen im Norden, Marpod im Osten, der Hohen Rinne im Süden und Kleinscheuern im Westen begrenzt wird) hat Proiect fünf Vorschläge: In der Nähe der jetzigen Halde auf dem Thalheimer Berg, zwischen Schellenberg und Heltau, zwischen Großau und Reußdörfchen, bei Kleinscheuern und bei Hahnbach. Für den Raum Mediasch soll die jetzige Deponie ausgebaut werden, ebenso soll eine bei Elisabethstadt, eine bei Agnetheln, eine bei Freck und schließlich eine für den Unterwald und die Marginime bei Kleinpold errichtet werden (Variante A). In der B-Variante kommen je eine Halde bei Leschkirch, bei Mihaileni, Loamnes, Blajel und Saliste hinzu. Die Plätze wurden danach ausgewählt, wie groß und für die Landwirtschaft unbrauchbar das Terrain ist und ob die Besitzverhältnisse klar sind. Eingehende Studien über die Windrichtung, die Bodenbeschaffenheit das Wassernetz gibt es - so Projektleiter Gheorghe Hendoreanu - noch nicht. Wenn der Kreisrat die Studie angenommen und die Standorte festgelegt haben wird, dann erwartet das Proiect-Team, daß es auch den Auftrag für die Machbarkeitsstudie erhält, wo dann analytischer vorgegangen wird als in der jetzigen Phase. Für Hermannstadt soll der Kreisrat von fünf Vorschlägen zwei auswählen, um möglichen Überraschungen entgegenzuwirken. Eine unangenehme Uberraschung gab es schon: Als die Hahnbacher vom Projekt Wind bekamen, gab es fast einen Volksaufstand im Dorf. Müll gilt in unseren Breiten noch als Synonym für Misere. Die negativen Erfahrungen der Kommunen mit der Müllabfuhr werden der Akzeptanz des Projektes sicher auch in anderen Ortschaften im Wege stehen. Niemand wird eine Mülldeponie auf seinem Hattert haben wollen, wenn nicht eine seriöse (lies: ausländische) Firma als Qualitätsgarant für die saubere Betreibung das Projekt mittragen wird. Und zu guten Verträgen wird es nur kommen, wenn es bei den Bürgermeisterämter klare ökologische Entsorgungskonzepte gibt, sonst werden die Kommunalräte - wie in Hermannstadt unlängst geschehen - von den Konkurrenzkämpfen der Anbieter aufgerieben oder wie in der Vergangenheit ebenfalls in Hermannstadt geschehen - von unseriösen Firmen glatt hereingelegt.

Annemarie WEBER


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Dokument: ../hz/1511_2.htm, Autor: Michael Kothen, letzte Änderung 29.01.98