Die Siebenbürgische Ferienakademie


Unsere Geschichte

Vorgeschichte

Da ich als Erfinder und Ausrichter der ersten Siebenbürgischen Ferienakademie gelte, sei mir an dieser Stelle gestattet, aus einer persönlichen Perspektive die Vor- und Ideengeschichte dieser inzwischen durchaus beständigen und erfolgreichen Einrichtung zu berichten.

Am Anfang steht die geglückte Integration eines Spätaussiedlerkindes in bundesdeutscher Umgebung. Obwohl die »neue Heimat« ein Siedlungsschwerpunkt der Siebenbürger Sachsen war, fühle sich das Aussiedlerkind den eigenen Landsleuten nicht besonders verbunden und verleugnete gar seine Herkunft. Es besuchte kaum sächsische Veranstaltungen (bei denen es gar frölich zuging) und wurde auch nicht von einer sächsischen Jugend-, Tanz- oder Musikgruppe angesprochen, geschweige denn erreicht. Die sächsische Identität erlangte in der neuen Umgebung allmählich die Relevanz einer biographischen Fußnote. Nicht unwesentlich war, daß sich bei der Ausreise nach Deutschland kein Buch im bewilligten Gepäck befunden hatte.

In den kirchlichen Jugendgruppen, zu denen das Aussiedlerkind Zugang gefunden hatte und wo es bald zu Hause war, wurden vielfältige Freizeitaktivitäten betrieben, Fahrten und Rüstzeiten druchgeführt. Eine dieser Freizeiten war stets um den Jahreswechsel gelegt und fand meist in einem Haus für Selbstverpfleger in abgeschiedener Lage statt.

Im Herbst 1982, zehn Jahre nach der Auswanderung, mittlerweile ein Twen und noch nicht desillusionierter Student der Sozialwissenschaften, wurde ich von meiner Mutter zu einem ersten Seiburger Heimatortsgemeinschaftstreffen, eher widerwillig, mitgenommen. Wider Erwarten hatten sich beinahe ein halbes Hundert Jugendliche eingefunden, die sich nicht an die Rockzipfel der Eltern heften mußten, sondern ganz pragmatisch zusammen plaziert wurden. Es fand sich, daß diese Jugendlichen - zum Teils in Deutschland geboren - schnell zueinander Kontakt fanden und die Idee aufkam, ein paar Tage miteinander zu verbringen, sich mit Brauchtum, Heimatortsgeschichte und Geschichten zu beschäftigen. In Rorup im Münsterland wurde eine Jugendfreizeitstätte gefunden. Über den Jahreswechsel 1982/1983 fand also eine einwöchige Jugendfreizeit des Nachwuchses der Heimatortsgemeinde Seiburg mit rund zwanzig Teilnehmern statt. Auf dieser Freizeit referierten eine Lehrerin und Heimatkundlerin sowie ein sächsischer Pfarrer, einige Seiburger Tänze, Märchen und Sagen wurden zum Besten gegeben, es wurde über kirchliches Leben und über »Heimat« diskutiert, über Neubeginn und Aussiedlung.

Obwohl durchaus gelungen, fand diese Freizeit in den nächsten Jahren keine Fortsetzung. Im November 1985 fand in Bad Soden im privaten Rahmen ein Besprechung zu einer zu planenden Maßnahme statt und als Ältester im Kreis wurde ich abermals mit der Vorbereitung beauftragt. Das Konzept, nur Seiburger einzuladen, besaß jedoch keine Tragfähigkeit, vielmehr mußte man versuchen, einen studentischen Teilnehmerkreis anzusprechen, etwa nach dem Modell der Sommer-Ferienakademien der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach. Die anregende Atmosphäre und die phantastischen Ergebnisse dieser Veranstaltung ließen mich nicht zur Ruhe kommen.

Hinzu kam, daß ich während meines Studiums im Nebenfach Geschichte die Möglichkeit hatte, eine Arbeit über die »Reformation in Siebenbürgengen« zu schreiben und dabei auf die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim und den Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde stieß und mit dem damaligen Geschäftsführer Balduin Herter korrespondierte. Die Intentionen des Arbeitskreises waren überzeugend: ganz Siebenbürgen - zwar mit Schwerpunkt auf sächsischen Belangen - war zu erforschen und bekanntzumachen und zwar in Kooperation mit rumänischen und ungarischen Wissenschaftlern, was in jener Zeit des totalitären, real existierenden Sozialismus manchmal zu Kompromissen zwang. Dieser Verein war jedoch qualitativ etwas anderes als die mir bis dahin bekannten sächsischen Organisationen wie Landsmannschaft, Hilfskomitee, Heimatortsgemeinschaften etc.

Am 1. Januar 1986 traf ich mich mit Doris Binder-Falcke zu einer ersten Vorbesprechung einer eigenen Ferienakademie. Im Frühjahr desselben Jahres wurde das Evangelische Jugendheim Dreifelden im Westerwald vom 27. Dezember 1986 bis 3. Januar 1987 angemietet. Das ganze Jahr über wurde für die Veranstaltung geworben, wobei zu den ersten Fängen der Seiburger Stamm zählte: Hildegard Arz, Doris Binder-Falcke, Christine, Annemarie und Reiner Guist; hinzu kamen Klaus Lingner und Heinrich Lingner. Im September 1986 fand schließlich die Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in Freiburg im Breisgau statt, begleitet von einem einführenden Nachwuchsseminar. Einer der Organisatoren und Referenten war ein junger Student aus München, Harald Roth. Als außergewöhnlich beschlagen in siebenbürgischer Geschichte, war man auf ihn schnell aufmerksam geworden; er wurde gezielt angesprochen und für das Projekt »Siebenbürgische Ferienakademie« gewonnen, zumal die eigenen Bestrebungen im Rahmen des Arbeitskreises in die gleiche Richtung wiesen. Dem Namen »Siebenbürgische Ferienakademie« stand er jedoch zunächst äußerst reserviert gegenüber.

Auf eine Ankündigung einer »Siebenbürgischen Ferienakademieng« in der Siebenbürgischen Zeitung im Herbst 1986 meldeten sich weitere Teilnehmer, insgesam schließlich 21 an der Zahl. Durch persönliche Vermittlung waren unter ihnen auch Anita und Uwe Konst, Anita Meschendörfer und Stefan Mazgareanu. Die Verpflichtung älterer Referenten - Ilse Depner, Alfred Coulin (+), Karl M. Reinerth - gelang auch und bis heute sind wir ihnen in Dankbarkeit und Freundschaft verbunden. Für die Küche zeigten sich in Dreifelden verantwortlich Christine Guist und Roswitha Flagner, unterstützt von der wohl altruistischsten Teilnehmerin aller Ferienakademien, die sicherlich auch stilbildend gewirkt hat, Hildegard Arz.

Bei Schneegestöber und Weltuntergangsstimmung nahm das Ereignis am 27. Dezember 1986 in Dreifelden seinen Lauf. Die weitere Geschichte kann in diesem Heftchen, in den Semesterblättern und der Dokumentationsmappe nachgelesen werden. Daß einige Dinge trotzdem nicht verzeichnet sind, liegt in der Natur der Sache. So manche Anekdote und Anspielung wird für »Neuzugänge« die wir stets herzlich und gerne aufnehmen, nicht immer verständlich bleiben. Bei geschicktem und beharrlichem Nachfragen werden sich aber die Zungen der Mitwisser lösen und jeder kann sich ein Puzzle zusammenbasteln...

Gustav Binder


Zurück zur Hauptseite von Studium Transylvanicum Zur Hauptseite des SibiWeb

Dokument: ../st/sfgeschi.htm, Autor: Dirk Beckesch, letzte Änderung am 30.01.03