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Der "Schutzwall der Christenheit" wird zum Museum

Ein Besuch bei den Kirchenburgen in Siebenbürgen

Erschienen am 14. Februar 1999 in der Katholischen Kirchenzeitung, Berlin


Deutsche Sachsen kamen im Mittelalter in das heutige Siebenbürgen und wurden eine christliche Bastion gegen den Islam. Sie bauten Kirchen für ihren Glauben und befestigten Gotteshäuser zu Burgen. Heute scheint die Geschichte der Sachsen in Siebenbürgen fast abgeschlossen: viele haben den Landstrich verlassen, wenige Hundert sind geblieben, seelsorglich betreut durch einen deutschen Diakon; die Kirchenburgen stehen als Zeugen der Geschichte, für interessierte Touristen...

Wie vor ein paar hundert, Jahren...

Der alte Friedhofsgärtner kannte sie fast alle: Die Donaths, die Rosenauers, die Schneiders, die alte Press. Auf dem. Foto, das den Grabstein schmückt,. lächelt sie etwas verlegen unter dem bunten Kopftuch hervor. Frische Blumen gibt es kaum auf dem Friedhof von Tartlau. "Die meisten Angehörigen sind ja längst weg nach Deutschland", sagt der Gärtner. Dafür bedecken schwere Betonplatten die Gräber. Es scheint, als wolle man wenigstens die Toten daran hindern, das Dorf zu verlassen.

Wir sind im Land der Siebenbürger Sachsen. Tartlau nannten sie über sieben Jahrhunderte den kleinen Ort Nahe bei Hermannstadt (Korrektur: Müßte natürlich Kronstadt heißen). Nicht erst, seit die meisten die Koffer gepackt haben und in das Land ihrer Vorväter zurückgekehrt sind, ist der rumänische Name Prejmer auf dem Straßenschild zu lesen. An die deutschen Siedler, die den Landstrich im rumänischen Karpatengürtel urbar machten, die ihn mit ihrer Lebensart und Kultur geprägt haben, gibt es heute kaum noch Erinnerungen. Die einstmals schmucken Hausfassaden verfallen, abweisend wirken die verbretterten Fenster, in den Dächern gähnen die ersten Löcher, und längst hat sich in den meisten Vorgärten das Unkraut breitgemacht.

Und nun stehen wir ,im Hof der alten Kirchenburg von Tartlau und fühlen uns als sei die Zeit ein paar hundert Jahre zurückgedreht worden. Wir sind durch das niedrige, bald 30 Meter, lange gewölbeartige Torwehr hereingekommen, über das ausgetretene Kopfsteinpflaster des Rathaushofes. Wie ein Schutzwall umgeben die Festungsanlagen die Kirche im Innenbereich. Vom Turm schlägt dumpf eine Glocke, schreckt ein paar Krähen auf. Wir schauen auf die innere Ringmauer mit ihren zahllosen Wohn- und Vorratskammern, aneinandergereiht. wie die Waben eines Bienenstocks.

Wir ahnen, wie sich. die Kirchenburg mit Leben füllt, wie die Tartlauer sich hier zurückziehen vor den kriegerischen Reitern der Mongolen und Türken, die über die Karpatenpässe ins Land hereinbrechen, um die Städte zu plündern und zu brandschatzen. Wir hören das eiserne Fallgitter herunterrasseln, sehen die ,Männer, die über den Wehrgang zu den Schießscharten und Pechnasen eilen .und. die Festungstürme besetzen, die Bauern, die ihr Vieh in den Hof treiben, die Frauen und Kinder, die ihre Habseligkeiten in den Kammern verstauen...

Es. war ein unruhiges Grenzland, in das die ungarischen Könige im 12. Jahrhundert die deutschsprachigen Siedler, die "Sachsen", riefen. Eigener Boden und die Freiheit von Leibeigenschaft lockten die Kolonisten in den Karpatenbogen. Bald schon hatten sie weite Teile des Sumpflandes urbar gemacht, hauen hunderte von genossenschaftlich organisierten Dörfern gegründet. An, verkehrsgünstigen Orten blühten Handel, Landwirtschaft und Handwerk, wuchsen Städte heran.

Zugleich sollten die Siebenbürger Sachsen aber auch die Ostgrenze des Königlandes sichern als "Schutzwall der gesamten Christenheit", so Papst Eugen IV. im Jahr 1483 nach einem standhaften Kampf gegen die ständigen osmanischen Einfälle.

Systematisch hatten' die Siebenbürger Grenzwächter damals ihr Land befestigt mit eben jenen Kirchenburgen, wie sie heute noch in Tartlau und in vielen anderen Dörfern zu finden sind. Hier konnten sich die Menschen verschanzen, hier waren die Vorräte eingelagert in den Korn- und Speckkammern. Hier konnte notfalls einer monatelangen Belagerung standgehalten werden.

Ein paar Alte holen uns zurück in die Gegenwart. Es ist Sonntagvormittag, und gleich beginnt in der Kirche der Gottesdienst. Seit 1550, als die Siebenbürger Sachsen sich dem Augsburger Bekenntnis anschlossen, hat im benachbarten Pfarrhaus immer die Pastorenfamilie gelebt. In guten Zeiten fanden hier ein halbes Dutzend Prediger Herberge, erzählt. die junge Kirchendienerin, die hin und wieder Besucher durch die Wehrkirche führt. Der letzte einheimische Pastor ist vor ein paar Jahren gegangen, als die meisten Tartlauer Sachsen Siebenbürgen in Richtung Deutschland verließen. Jetzt gibt es "den Neuen", man begegnet ihm freundlich, aber auch mit Zurückhaltung.

Die Kirchenburg von Tartlau

Im Gepäck viel Optimismus

Der "Neue", das ist Diakon Eberhard Beck, der im vergangenen Jahr aus Schwaben nach Tartlau gekommen ist, ein junger Geistlicher mit Frau und zwei kleinen Kindern. Im Gepäck hat er viel Optimismus; aber was wird davon bleiben, wenn er Sonntag für Sonntag auf die Kanzel steigt und vor einem Dutzend alter Männer und Frauen predigt?, fragt sich die Kirchendienerin.

Viele der umliegenden Gemeinden sind längst aufgelöst, weil sie praktisch ausgestorben sind. Zwei, drei Sachsenfamilien, da gibt es auch keinen eigenen Pastor mehr. Im Zentralarchiv, das in der Tartlauer Kirchenburg untergebracht ist, kann Diakon Beck in den Kirchenbüchern die unwiederbringliche Geschichte nachblättern. Die Akten sind sorgfältig geführt. Sie erzählen von Geburten, von Hochzeiten und Beerdigungen. Sie geben genaue Auskunft, wenn es darum geht, alte Besitzstände der Sachsendeutschen nachzuweisen, der Sachsenböcke, wie man sie hier nennt.

Sieben Jahrhunderte haben die Sachsen in Siebenbürgen gelebt. Aber diese Geschichte geht zuende, auch wenn die Kirchenburg von Tartlau jetzt noch einmal mit finanzieller Hilfe der Stiftung Siebenbürger Sachsen frisch getüncht und mit neuen Schindeln gedeckt worden ist. Längst ist sie nicht mehr Zufluchtsort für die Familien, sondern Ziel von Touristenbussen.

Bis zur Wende 1989 zählte die Kirchengemeinde noch gut 1.000 Menschen, dann begann die große Ausreisewelle. Wieviele sind es heute? Vielleicht hundert? Oder sind schon wieder einige gegangen?

Der Gesang der Alten im Sonntagsgottesdienst wird dünner, man schiebt die Kirchenbänke zur Seite und wartet darauf, daß wieder ein Platz leer bleibt. Der Diakon predigt zu müden Gesichtern. Eine alte Frau nickt bedächtig, als er am Ende verkündet: Aus Deutschland ist eine Spende gekommen, damit die Gräber auf dem Friedhof gepflegt werden können...


Stefan Branahl





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